Die Lazarus-Formel
Beschuss einbrach. Doch allmählich entfernten sie sich davon, und die Explosionen wurden leiser. Aber Ben nicht langsamer.
Nach etwa einer Minute mündete der Tunnel in einen etwas größeren Raum, der mehr an eine Höhle erinnerte, und Ben bremste die Maschine endlich ab. Eve war kaum noch überrascht, als sie den Geländewagen sah. Ihr Beschützer schien wirklich auf alles vorbereitet.
Sie stiegen vom Motorrad, Ben öffnete die Heckklappe des Wagens und half Eve dabei, den Rucksack auszuziehen. Er warf die Sachen in den Wagen. Während sie einstiegen, fragte sich Eve, wie sie aus der Höhle entkommen sollten und wie der Wagen überhaupt erst in diese Höhle hineingekommen war.
Ben startete den Motor und holte eine kleine Fernbedienung aus dem Handschuhfach. Er drückte auf einen Knopf …
… und die jenseitige Wand der Höhle explodierte nach außen.
Noch ehe sich der Staub der Explosion gelegt hatte, lenkte Ben den Geländewagen hinaus. Sie befanden sich endlich wieder an der Oberfläche. Eve blickte sich um und sah über die Kronen eines kleinen Wäldchens hinweg die rauchende Ruine des kollabierten Turms in etwa anderthalb Kilometer Entfernung. Der Geländewagen holperte über eine Wiese.
»Wohin jetzt?«, fragte Eve.
»Zum Yeovil Airfield. Zwanzig Meilen von hier. Wir müssen nach Deutschland.«
28
Naqada Manor.
Der hoch gewachsene Mann, den Kabir Mylord nannte, schritt gerade durch seinen Harem, um eine oder zwei Gespielinnen für die Nacht auszuwählen, als sich das iPhone, das er in der Tasche seines bodenlangen anthrazitfarbenen Hausmantels bei sich trug, mit einem Klingelton bemerkbar machte. Er schaute auf das Display und erkannte Kabirs Nummer.
»War die Operation ein Erfolg?«, fragte er direkt.
»Wir haben den ganzen Hügel in Schutt und Asche gelegt«, antwortete Kabir, »und sie darunter begraben.«
»Glastonbury Tor?« Kabir bestätigte, und sein Gebieter zog unwirsch die ansonsten makellos glatte Stirn in Falten. »Es wird unmöglich sein, das zu vertuschen.«
»Das Pressebüro arbeitet bereits an einer offiziellen Verlautbarung«, sagte Kabir schnell. »Schrecklicher Irrtum bei einer Armeeübung oder etwas in der Richtung.«
»Hast du seine Leiche gefunden?«
Kabir zögerte.
»Antworte, Kabir.«
»Dafür müssten wir Tonnen von Fels, eingestürztem Mauerwerk und Gestein abtragen.«
Der große Mann atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, Kabir darüber einzuweihen, mit wem er es bei Doktor Sinclairs Beschützer zu tun hatte. Aber das durfte nicht sein. Niemand durfte das wissen. Niemand.
Schließlich sagte er mit erzwungen sanfter Stimme: »Kabir, wer war es, der dir dein Leben schenkte?«
»Das wart Ihr, Mylord.«
»Und das machte mich auch in all der Zeit stolz und erfüllte mich bisher immer mit großer Freude.«
»Danke, Mylord.«
»Diese Freude versiegt gerade, Kabir.«
»Ich weiß, Mylord«, antwortete Kabir mit aufkommender Trauer in der leiser werdenden Stimme. »Ich werde alles tun, um sie Euch zurückzugeben, diese Freude.«
»Davon gehe ich fest aus. Du kennst die Alternative.«
»Ich kenne sie, Gebieter.«
»Fürchtest du sie?«
»Das tue ich.«
»Wie sehr?«
»Mehr als irgendetwas anderes auf dieser Welt«, gestand Kabir in aller Offenheit.
»Gut«, sagte sein Herr. »Denn du kennst die Regeln. Für Versagen gibt es keine Gnade.«
»Ich werde nicht versagen.«
»Das würde ich sehr begrüßen, Kabir. Es würde mich Ewigkeiten kosten, eine neue rechte Hand auszubilden. Also suche unter jedem verdammten Stein. Solange seine Leiche nicht gefunden ist, ist diese Operation nicht beendet. Hast du mich verstanden?«
»Euer Wille geschehe, Herr.«
Der Mann nickte, obwohl Kabir es nicht sehen konnte, und beendete das Gespräch durch einen Druck auf das Display. Er steckte das iPhone zurück in die Tasche seines Morgenmantels und wandte sich wieder seinem Harem zu. Er musste sich ablenken von den düsteren Gedanken, die das Auftauchen des Fremden geweckt hatte. Und ebenso von seiner Furcht.
Er zwang sich, tief ein- und auszuatmen, und sah sich um. Der große schmuckvoll eingerichtete Raum lag in einem Nebengebäude des Manors, das nur für seine Frauen und ihre Wächter bestimmt war. Ihre Suiten waren auf zwei Etagen verteilt, und im Keller gab es Zellen. Wie in jedem guten Harem standen eine Pool-Anlage zur Verfügung, ein Fitness-Center und ein SPA. Fantasien müssen keine bleiben, wenn man es sich leisten kann, sie
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