Die Lazarus-Formel
Stern?«
»Hm«, machte Ben. »Jesus Christus, der König der Könige, den Menschen gesandt, um die Erbsünde durch sein Opfer zu tilgen, besteigt den Thron anstelle des Herrn des Todes?«
»Klingt, als gäbe es da einen Zusammenhang«, meinte Eve. »Aber er ist zu wacklig. Wenn die Magi einem Stern folgten, um den Erlöser zu finden, kann der Stern eigentlich nicht gleichzeitig auch der Erlöser selbst sein. Außerdem – und das ist viel entscheidender – liegt die Geburt des Erlösers als einmaliges Ereignis in der Vergangenheit. Der Hinweis Feldmanns aber bezieht sich auf etwas, das noch geschehen wird oder eher immer wieder geschehen kann.«
»Woraus schließen Sie das?«
»Es scheint Feldmann ja offenbar selbst widerfahren zu sein«, erklärte sie. »Oder auch gelungen ; das finden wir hoffentlich bald heraus. Und er hat es niedergeschrieben als Hinweis für andere. Wie eine Gebrauchsanleitung. Also ist es wiederholbar.«
»Oder wiederholt erlebbar«, sagte Ben. »Vielleicht beschreibt das Rätsel ein astronomisches Phänomen, das sich wiederholt.«
»Zum Beispiel?«
»Den Halleyschen Kometen, der alle fünfundsiebzig bis sechsundsiebzig Jahre zurückkehrt. Angeblich stand der auch bei Christi Geburt am Himmel. Könnte das der Primus Astrum sein, wenn man Primus nicht mit der Erste übersetzt, sondern mit der Größte ?«
Eve überlegte eine Weile, dann schüttelte sie den Kopf. »Der Halleysche Komet erschien im letzten Jahrhundert 1910 und dann wieder 1985. Das eine zu früh, das andere zu spät. Was auch immer Feldmann erfahren oder entdeckt hat, liegt dazwischen. Dafür spricht auch der Zeitpunkt seiner revidierten Veröffentlichung; das war 1949. Nein, ich meine wiederholbar im Sinne von immer wieder und mit dem gleichen, zuverlässigen Ergebnis durchführbar. Wissenschaftlich. Feldmann war ja schließlich Wissenschaftler.«
»Wir wissen mehr, wenn wir erst einmal den Stein gefunden haben«, sagte Ben.
»Und Sie glauben, der ist im Kölner Dom im Schrein der Heiligen Drei Könige versteckt?«
Ben nickte.
»Wie kommen wir dann an ihn heran?«
Ben grinste. »Wir brechen ein.«
30
Köln.
Hohe Domkirche St. Peter und Maria.
Eine halbe Stunde, nachdem Ben die Cessna auf dem Flughafen Köln/Bonn gelandet hatte, stiegen Eve und er unterhalb der Domterrasse aus einem gemieteten VW Passat Variant.
Hell erleuchtet ragte die schmuckvolle Westfassade der Kathedrale mit ihren beiden imposanten neugotischen Türmen über einhundertfünfzig Meter hoch in den wolkenlosen Nachthimmel.
»Wie sollen wir da ungesehen hineinkommen?«, fragte Eve, von der majestätischen Pracht des Doms regelrecht eingeschüchtert. Die riesige Kirche stand völlig frei, und trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit schlenderten Dutzende Touristen über den Platz.
»Kommen Sie«, sagte Ben, nachdem er eine große und allem Anschein nach schwere Umhängetasche aus dem Laderaum des Kombis genommen und geschultert hatte, und stieg die flachen Treppen zu der Terrasse nach oben.
Eve folgte ihm. Oben angekommen gingen sie zunächst auf die drei mächtigen Hauptportale des Doms zu, dann aber schwenkte Ben nach rechts, und sie passierten den südlichen Turm in Richtung Osten. Aber auch die lange Südfassade des Gebäudes wurde von zahlreichen Strahlern beflutet, und es gab auch dort viel zu viele Nachtschwärmer, um überhaupt nur daran zu denken, unbemerkt durch eine der Seitentüren oder eines der Fenster hineingelangen zu können.
Eves Nervosität stieg. Einbruch war ohnehin schon eine ihr eher unheimliche Idee. Aber dann auch noch in einem fremden Land und zu allem Übel in eine katholische Kirche. Das konnte ganz entsetzlich nach hinten losgehen.
Am östlichen Ende des Doms angelangt machte Ben einen Schlenker nach rechts.
Vom Dom weg?
»Kommen Sie«, sagte er erneut, als er sah, dass Eve zögerte. »Es ist nicht mehr weit.«
»Wohin gehen wir?«, fragte Eve.
»Zum Rheinufer.«
Sie nahmen den Weg nach Süden und gingen etwa fünfzig, vielleicht sechzig Meter, um dann nach links abzubiegen, wieder in Richtung Osten.
»Das hier war früher alles Domgelände«, erklärte Ben, während Eve weiter vorn den Rhein entdeckte, der im Schein des Mondes glitzerte. »Ganz früher aber war es eine römische Siedlung. Colonia Claudia Ara Agrippinensium . Daher der Name Köln. Tatsächlich sind der Dom und seine Vorgängerkirchen über einem alten Altar der Göttin Roma errichtet.«
»Und?«
»Der Altar stand auf dem Forum der Kolonie,
Weitere Kostenlose Bücher