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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Pala
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gäbe, könnte man sich um die herumgraben, aber es gibt Wachen.« Sie seufzte. »Alles schon versucht. Mehrfach.«
    »Wir könnten einen Wärter überrumpeln und ihn als Geisel benutzen«, schlug Eve vor.
    »Da kennst du den Orden schlecht«, sagte Margaret. »Die Kerle lassen sich nicht erpressen. Auch schon mehrmals probiert, fast bei jeder Generation neuer Wächter. Irgendeiner meint immer mal wieder, er müsse sich zu mir in die Zelle schleichen, wenn ich schlafe, und sein Zölibat mal kurz unterbrechen. Dann ein schneller Griff zu seinem Dolch, und schon hast du eine Geisel. Mit ein wenig Übung ist das nicht allzu schwer. Nur nutzt es dir nichts. Die meisten sterben lieber gleich, statt sich als Geisel missbrauchen zu lassen, und die anderen werden von den Wächtern erschossen, ehe du selbst nur damit drohen kannst, sie umzubringen.«
    Eve war schockiert von der Gelassenheit, mit der Margaret von versuchter Vergewaltigung, Geiselnahme und eiskaltem Mord sprach. Doch sie spürte, dass das nicht Margarets Natur war, sondern das Ergebnis von einhundertsechzig Jahren, die sie in diesen Katakomben in Gefangenschaft verbracht hatte, umgeben von geistig verwirrten und zutiefst grausamen Menschen, die sie abgrundtief hassten für das, was sie war, die sie fürchteten aufgrund der Bedrohung, die sie für ihren Glauben und demzufolge für die Welt und die gesamte Menschheit darstellte. Und die sie folterten, um zu bekommen, was auch immer sie von ihr wollten für ihren blutigen Kreuzzug gegen die größte Chance, die der Mensch jemals hatte.
    Außer Mitleid für sie empfand Eve auch große Angst davor, dieses Schicksal fortan mit ihr teilen zu müssen. »Wir könnten versuchen, uns den Weg freizukämpfen.«
    »Ja, das könnten wir. Sollten wir aber nicht.« Margaret zuckte die Achseln, und trotz ihres Mitgefühls ärgerte sich Eve über die so deutlich gezeigte Gleichgültigkeit.
    »Wieso nicht?«
    »Mich erschießen sie dabei jedes Mal«, erwiderte Margaret. »Und du … Na ja, du hättest nur einen Versuch.«
    Eve merkte erst in diesem Moment, dass sie selbst bereits den Kopf und die Schultern hängen ließ. Ihr Ärger verpuffte wieder. »Das klingt alles ziemlich aussichtslos.«
    »Wem sagst du das?«
    Eve setzte sich wieder hin, das Gesicht vor Schmerzen, die die Bewegungen verursachten, verzerrend und die Zähne zusammenbeißend. »Was wollen sie eigentlich von dir?«
    »Sie wollen wissen, wo die Quelle des ewigen Lebens ist. Um sie zu zerstören.«
    »Die Quelle? Du meinst den Baum?«
    »Quelle. Baum. Frucht. Gral. Nenn es, wie du willst.«
    »Es gibt eine Quelle des ewigen Lebens?«, hakte Eve sicherheitshalber noch einmal nach.
    »Ja, natürlich. Ich dachte, das wüsstest du.«
    Eve seufzte resigniert. Für sie brach gerade eine Welt zusammen.
    »Was ist?«, fragte Margaret. »Was bedrückt dich?«
    »Du meinst, außer der Aussicht darauf, dass sie mich wieder foltern werden, so lange, bis sie begreifen, dass ich wirklich nichts weiß, und mich dann töten?«
    »Ja. Irgendetwas macht dir zusätzlich zu schaffen.«
    »Du«, sagte Eve. »Du machst mir zu schaffen. Deine Existenz.«
    »Oh, das tut mir leid.« Es klang ehrlich, und Eve war es peinlich, als sie begriff, dass Margaret sie missverstanden hatte.
    »Nein, nein, so habe ich das nicht gemeint«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich meinte nicht zu schaffen machen ; ich meinte, sie beschäftigt mich, deine Existenz. Sie verwirrt mich. Und frustriert mich offen gestanden auch ein wenig. Sehr sogar, wenn ich ehrlich bin.«
    »Inwiefern?«, fragte Margaret. »Ich habe die Quelle des ewigen Lebens entdeckt und bin unsterblich. Wenn ich den Bischof vorhin richtig verstanden habe, bist du selbst auf der Suche danach. Meine Existenz müsste dir eigentlich viel eher Mut machen. Wenn wir einmal von unserer recht ausweglosen Situation hier absehen.«
    »Wo fange ich am besten an?«, überlegte Eve laut.
    »Beim Kern des Problems«, schlug Margaret vor. »Das ist meiner Erfahrung nach immer das Beste.«
    »Ja, das ist es«, stimmte Eve zu und holte tief Luft. »Weißt du, ich bin Wissenschaftlerin, Margaret. Ich war mir sicher, dass es für die Übertragung der Fähigkeit der Eibe auf den menschlichen Metabolismus eine medizinische, eine wissenschaftliche Lösung gibt. Für mich war es eine absolute Gewissheit, dass das Rätsel von den ›drei heiligen Orten‹ auf einen wiederholbaren biologischen, chemischen oder physikalischen Prozess hinweist, auf ein

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