Die Lazarus-Formel
glühende Harpunenspitze, die ganz dicht vor ihrem Gesicht schwebte.
61
»Wunderbar!« Diakon Wall lachte auf – und drückte unvermittelt das glühend heiße Metall auf Eves Oberschenkel. Eves Schrei gellte durch die Katakomben. »Zwei Fliegen auf einem Schlag.«
Ben hielt die Mündung der SIG Sauer am Kreuz vorbei auf das Gesicht des einhändigen Hüters gerichtet, doch der schien davon gänzlich unbeeindruckt.
Er hielt die Harpunenspitze hoch, die er an Stelle der Hand trug, die ihm Ben während des Kampfes im Kloster abgeschlagen hatte, und richtete sie auf Eves Auge. »Einen Schritt weiter, und sie verliert es!«
Ben spannte den Hahn der SIG . »Sie sind tot, ehe Sie sie nur berühren können.«
»Wärst du dir dessen sicher, hättest du schon abgedrückt«, sagte der Einhändige mit sadistischer Ruhe.
Ben fluchte in sich hinein. Der andere hatte recht – und er wusste es. Beide wussten sie es. Aus einem anderen Winkel heraus wäre es möglich gewesen, einen Fangschuss zu setzen und allem ein Ende zu bereiten. So aber waren das Kreuz und Eve im Weg.
»Wirf die Waffe weg«, forderte Diakon Wall.
»Keine Option«, knurrte Ben.
»Ich töte sie.«
»Danach sind Sie dran. Nur zu.«
»Hm«, machte Diakon Wall. »Das nennt man wohl eine Patt-Situation.« Nach einer kleinen, absurd theatralischen Pause fügte er hinzu: »Oder man könnte es eine Patt-Situation nennen, wenn da nicht …« Er grinste siegesgewiss.
»Wenn da nicht was?«, fragte Eve panisch.
Statt zu antworten, stieß Diakon Wall einen Pfiff aus …
… und Ben hörte hinter sich das Klicken mehrerer Pistolenhähne.
Verdammt! Verstärkung.
Dem Klicken der Hähne nach handelte es sich um mindestens vier Mann.
Ben fluchte lautlos. Es war eine Falle.
Er hätte es wissen müssen. Spätestens als er so einfach in die Katakomben hatte eindringen können. Wären die Sicherheitsvorkehrungen des Ordens immer so lausig, hätten die Aesirianer sie längst eliminiert.
Ben stand still, während zwei der Männer im Abstand von zwei Metern links und rechts an ihm vorbei nach vorn traten, ihre Waffen dabei beständig auf ihn gerichtet.
Der Folterknecht ging zu seiner Tasche und holte eine Betäubungspistole daraus hervor.
Aber keiner der Hüter hatte bemerkt, dass Bens linke Hand tief in den weiten Ärmel seiner Kutte zurückgezogen war.
»Also«, sagte der Einhändige. »Waffe sichern und fallen lassen.«
Ben gehorchte. Nur scheinbar resignierend. Er legte den Sicherungshebel der Pistole um und ließ sie fallen – und zugleich das, was er bis eben in der Linken gehalten hatte.
Die Ordensbrüder hinter Ben starrten für einen kurzen Moment auf den schwarzen, zylinderförmigen und etwa handgroßen Gegenstand, den Ben mit der Pistole hatte fallen lassen, und begriffen zunächst nicht, worum es sich handelte. Dann aber rief einer von ihnen alarmiert: »Granate!«
Ben nutzte das Überraschungsmoment, da jeder vor Schreck wie gelähmt war, um den Gegenstand mit der rechten Fußspitze in Richtung des Einhändigen zu kicken. Der tat genau das, wovon Ben gehofft hatte, dass er es tun würde – er machte reflexartig zwei schnelle und weite Sätze nach hinten, weg von Eve.
Der Folterknecht sprang ebenfalls zurück, um hinter dem Tisch Deckung zu finden, riss dabei aber die Betäubungspistole hoch und drückte ab.
Doch Ben hechtete bereits zur Seite, und der Pfeil ging ins Leere.
Die vier Männer um ihn herum zögerten einen weiteren Moment, weil sie auf einmal statt auf Ben aufeinander zielten.
Während sie ihre Waffen wieder auf Ben schwenkten, fischte der schnell die SIG vom Boden auf, zog gleichzeitig mit der Linken den Stiefeldolch und rollte aus der Schusslinie, gerade als die ersten Schüsse krachten.
Die Kugel prallte dicht neben ihm vom Boden ab.
Und die Granate explodierte mit ohrenbetäubendem Krachen.
Ein greller Lichtblitz flammte in dem niedrigen Raum auf. Es war die Blendgranate, die hochgegangen war. Nur Ben hatte in dem Moment die Augen fest geschlossen.
Dennoch musste sich Ben beeilen. Der Einhändige stellte mit Abstand die größte Gefahr dar, aber die vier anderen waren näher, um die musste er sich zuerst kümmern. Sie torkelten durch den Raum, noch orientierungslos durch den lauten Knall und das blendende Licht.
Ben sprang zu jedem Einzelnen von ihnen, wandte bei einem nach dem anderen seinen Schulter-Nacken-Griff an, und sie fielen innerhalb weniger Sekunden bewusstlos zu Boden. Es war nicht notwenig, sie zu
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