Die Lazarus-Formel
Holzbrett und fächelte die Kohlen an. Funken stoben auf.
»Du Drecksau!«, kreischte Margaret in ihrer Zelle. Sie hatte noch immer die kleinen Hände um das Gitter gekrallt, so fest, dass die Knöchel hervortraten, und rüttelte noch heftiger daran. »Du perverse, bigotte Drecksau!«
Diakon Wall zuckte mit den Schultern. »Sie ist eine Alchimistin. Eine Hexe. Und ich behandle sie wie eine.«
»Hör auf damit!«, schrie Margaret. »Hör auf damit, und ich verrate dir, wo die Quelle ist!«
»Was?« Eve warf schockiert den Kopf herum und starrte Margaret ungläubig an. War das ihr Ernst, oder versuchte die kleine Königin nur, Zeit zu schinden? »Margaret, du darfst es ihnen nicht verraten. Auf gar keinen Fall. Sie werden sie zerstören. Und dann ist das Wissen für immer verloren.«
»Ich muss es tun«, entgegnete Margaret voller Verzweiflung. »Du hast keine Vorstellung davon, wie sich das anfühlt, was er dir da antun will. Nicht einmal eine entfernte. Ich schon. Aber anders als bei mir wird es bei dir nicht wieder heilen.«
»Sieh an, sieh an«, sagte Diakon Wall mit einem Schmunzeln zu Margaret. »Da foltern wir dich über anderthalb Jahrhunderte lang auf jede nur erdenkliche Art und Weise, ohne auch nur eine Silbe aus dir herauszubekommen, und dabei hätten wir die ganze Zeit nur jemand anderen foltern müssen, um dich zum Reden zu bringen.«
»Nein, Margaret! Schweig!«, bat Eve inbrünstig. »Sag es ihnen nicht. Bitte!«
Diakon Wall nahm die Harpunenspitze aus den Kohlen und betrachtete sie. Unzufrieden zog er die Mundwinkel nach unten und steckte sie in die Glut zurück.
»Heißer! Viel heißer!«, befahl er barsch, und der Folterknecht fächelte schneller.
»Komm schon, Wall!«, rief Margaret. »Stell dir vor, du bist derjenige, der es schafft, mir mein Geheimnis zu entreißen. Der Orden würde dich aus Dank zum Bischof machen.«
Der Diakon ließ zwar die Harpunenspitze in der Glut ruhen, richtete den Blick aber wieder auf Margaret.
»Du könntest Garden endlich in Rente schicken und seinen Platz einnehmen«, malte Margaret ihm die Möglichkeiten aus. »Das willst du doch schon lange. Ich kann es dir ansehen. Schon seit Jahren.«
Eve sah, wie in den Augen des Diakons ein neuer Funken aufflackerte.
»Oder noch besser«, fuhr Margaret fort, »du nutzt die Kraft der Quelle für dich und machst dich selbst unsterblich. Vielleicht wächst dann sogar deine Hand nach. Ich weiß nicht, ob die Quelle das bewirken kann. Aber selbst wenn nicht, hast du dann alle Zeit der Welt, den zu jagen, der sie dir genommen hat. Wie wäre das?« Sie verstummte, um den Gedanken bei Wall fruchten zu lassen.
»Ich könnte den Orden mächtiger machen als jemals zuvor«, sagte er dann tatsächlich, in einem Ton, der klar machte, dass er mit sich selbst redete. »Mächtig genug, um den elenden Bastarden der Nephilim nach all der Zeit endlich ganz offen den Kampf anzusagen und sie für immer vom Antlitz dieser Welt zu tilgen. Ein unsterblicher Krieger Gottes. Ein allmä…«
»Sie spielt nur mit Ihnen«, unterbrach Eve seinen größenwahnsinnigen Monolog.
»Halt dich da raus, Eve!«, zischte Margaret.
»Ich kann das nicht zulassen, Maggie.«
»Es ist meine Entscheidung! He, was machst du da?« Die Frage galt Diakon Wall, der die Harpunenspitze aus der Glut nahm und auf Eve zutrat.
Er sah Margaret amüsiert an. »Ich fange schon mal an. Dann hört sie endlich auf dazwischenzureden, und du beeilst dich ein wenig mehr, mir tatsächlich zu erzählen, wo ich die Quelle finde.«
Eve sah, wie sich Margarets Augen ganz leicht überrascht weiteten. Damit hatte sie offenbar nicht gerechnet. Eve erkannte, dass sie wirklich nur versucht hatte, Zeit zu schinden.
Auch Diakon Wall sah das – und schien nicht wirklich verwundert.
»Dachte ich’s mir«, sagte er kühl und machte einen weiteren Schritt auf Eve zu.
»Zurück!«, donnerte in diesem Augenblick eine Stimme hinter Eve.
Das Kreuz, an dem sie hing, verhinderte, dass sie sich weit genug herumdrehen konnte, aber sie musste ihn nicht sehen, um zu wissen, wer da sprach. Sie würde diese Stimme unter Millionen erkennen. Und in diesem Moment der Angst und Verzweiflung war sie der schönste Klang der Welt.
Ben!
Er hatte sie gefunden.
Und er war gekommen, um sie zu retten. Sie hätte am liebsten geweint vor Glück – hätte sie in dem Moment nicht das leise, aber triumphierende Lächeln von Diakon Wall gesehen. Ein Lächeln, das ihr noch mehr Furcht einjagte als die
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