Die Lazarus-Vendetta
Warnung beherzigen!«
Berlin
Tausende von Demonstranten strömten von allen Seiten auf Berlins größten Boulevard Unter den Linden, und ihre Zahl wuchs von Minute zu Minute. Zahllose rote und grüne Fahnen der Lazarus-Bewegung flatterten in den vorderen Reihen der unüberschaubaren, singenden Menschenmenge, die sich durch das von der Siegesgöttin Viktoria auf ihrem vierspännigen Triumphwagen gekrönte Brandenburger Tor nach Osten bewegte. Dahinter folgte ein Meer von andersfarbigen Fahnen, Transparenten und Plakaten. Die Grünen und andere Umwelt- und Antiglobalisierungsorganisationen Deutschlands schlossen sich in einer Demonstration der Stärke dem Protestzug der Lazarus-Bewegung an.
Ihre laut skandierten Gesänge hallten von den Steinfassaden der monumentalen Gebäude zurück, die den Boulevard säumten. »NEIN ZU NANOTECH! STOPPT DEN IRRSINN! ZERSCHLAGT DIE AMERIKANISCHE KRIEGSMASCHINERIE! LAZARUS AN DIE MACHT!«
Das CNN-Team, das Bilder von der Demonstration übertrug, zog sich auf die Freitreppe der Staatsoper zurück – ein noch immer elegant wirkendes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert mit einer Fassade aus mächtigen Säulen –, um ein besseres Blickfeld zu haben und Schutz vor der wütenden Menge zu suchen. Die Reporterin, eine schlanke, hübsche Brünette Anfang dreißig, musste in ihr Mikrofon schreien, um den Höllenlärm auf den Straßen der deutschen Hauptstadt zu übertönen. »Die Demonstration scheint die Behörden hier völlig überrascht zu haben, John! Was vor zwei Stunden noch eine kleine Gruppe von der jüngsten Video-Botschaft von Lazarus aufgewiegelter Demonstranten war, hat sich inzwischen zu einer der größten politischen Kundgebungen seit dem Fall der Mauer entwickelt! Und nun hören wir, dass in Rom, Madrid, Kairo, Rio de Janeiro, San Francisco und vielen anderen Städten überall auf der Welt ähnliche Massenkundgebungen gegen Nanotechnologie und die Politik der Vereinigten Staaten stattfinden.«
Sie ließ ihren Blick über das an der Oper vorüberziehende Meer von Fahnen und Transparenten schweifen. »Bisher ist die Menge hier in Berlin relativ ruhig und friedlich geblieben, doch Vertreter der Behörden befürchten, dass jeden Augenblick anarchistische Gruppen aus der Menge ausbrechen und anfangen könnten, Geschäfte und Verwaltungsgebäude amerikanischer Unternehmen zu verwüsten, die die Lazarus-Bewegung ›als Teil der Todesmaschinen-Kultur‹ bezeichnet. Während sich die Situation allmählich zuspitzt, bleiben wir vor Ort und berichten Ihnen live.«
In der Nähe von Kapstadt, Südafrika
Fünfundzwanzig Kilometer südlich von Kapstadt türmten sich dicke, schwarze Rauchwolken über dem Capricorn Business and Technology Park und verdunkelten den roten Abendhimmel. Nahezu ein Dutzend noch vor einer Stunde in der Sonne glänzende Gebäude auf dem Gelände der Hightech-Forschungs- und Produktionsanlage standen in Flammen. Tausende von gewaltbereiten Chaoten schwärmten über die um einen See in der Mitte des Geländes verlaufende Ringstraße, zerschlugen Fenster, kippten Autos um und setzten alles in Brand, was Feuer fing. Zunächst hatte sich die Aggression des tobenden Mobs nur gegen Biotechnologie-Labors in amerikanischem Besitz gerichtet, doch nun wütete er, von Hysterie und blinder Wut getrieben, gegen jede Einrichtung und Firma in Reichweite, die auch nur entfernt mit Wissenschaft und Forschung zu tun hatte, und legte in seiner hemmungslosen Zerstörungswut Gebäude und Laboreinrichtungen im Wert von nahezu 100 Millionen Dollar in Schutt und Asche.
Die Polizei, zahlenmäßig weit unterlegen und offenkundig nicht bereit, mit Schusswaffen gegen die brüllende Menge vorzugehen, hatte sich vom Gelände des Capricorn Parks zurückgezogen und einen weiten Kordon um den Industriekomplex errichtet – offenbar in der Hoffnung, ein Übergreifen der blinden Zerstörungswut auf die umliegenden Vororte verhindern zu können. Noch mehr Rauchsäulen stiegen von dem zerstörten Technologie-Park auf, als der auffrischende Wind neu auflodernde Brände durch die verwüsteten Gebäude trieb.
CBS Nachrichten – Sondermeldung:
»Amerikas heimlicher Krieg«
Die amerikanischen Fernsehzuschauer, die während des Tages ihr Gerät anschalteten, um ihre Lieblings-Gameshow oder Seifenoper zu genießen, sahen sich stattdessen auf allen Kanälen mit nonstop Nachrichtenmeldungen konfrontiert. Fast im Minutentakt brachten die großen Fernsehsender und alle Kabelnachrichtenkanäle neue
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