Die Lazarus-Vendetta
sog sie scharf die Luft ein. Dann umfasste sie den Hörer fester. »Großer Gott, Hal! Was ist passiert?«
»Das ist noch nicht ganz klar«, erwiderte Burke. »Den ersten Berichten zufolge, haben die Demonstranten den Zaun durchbrochen und stürmten zu hunderten auf das Gebäude zu, als drinnen die Hölle losbrach – Explosionen, Feuer und wer weiß, was noch alles.«
»Und die Ursache?«
»Es gibt Spekulationen über irgendwelche toxischen Stoffe,
die aus den Nanotechnologielabors entwichen sind«, sagte Burke. »Einige Quellen sprechen von einem tragischen Unfall. Andere vermuten dahinter Sabotage durch noch nicht identifizierte Täter. Die Kenner setzen auf Sabotage.« »Aber es gibt noch keine Bestätigung, weder in die eine noch
in die andere Richtung?«, fragte sie. »Niemand wurde festgenommen?«
»Bisher nicht, nein. Ich habe noch keinen Kontakt mit unseren Leuten, aber ich rechne damit, bald etwas von ihnen zu hören. Ich bin unterwegs dahin. In dreißig Minuten startet von Andrews eine Maschine der Air Force nach Santa Fe – und Langley hat für mich einen Platz in der Maschine ergattert.«
Pierson schüttelte frustriert den Kopf. »Das war nicht geplant, Hal. Ich dachte, wir hätten die Situation sicher im Griff.«
»Das dachte ich auch«, brummte Burke. Sie konnte beinahe sehen, wie er mit den Schultern zuckte. »Irgendetwas geht bei jeder Operation an irgendeinem Punkt schief, Kit. Sie wissen das genauso gut wie ich.«
Sie zog die Stirn in Falten. »Aber nicht so schief!«
»Nein«, stimmte Burke ihr frostig zu. »Gewöhnlich nicht.«
Er räusperte sich. »Aber jetzt müssen wir die Karten spielen, die wir ausgeteilt haben. Richtig?«
»Ja.« Pierson streckte die Hand aus und verließ den Link zu den TV-Programmen auf ihrem Computer. Sie hatte genug gesehen. Sie befürchtete ohnehin, diese Bilder würden sie noch lange in ihren Träumen heimsuchen.
»Kit?«
»Ich bin noch dran«, sagte sie leise.
»Sie wissen, was als Nächstes geschehen muss?«
Sie nickte und zwang ihre Gedanken, sich auf die unmittelbare Zukunft zu konzentrieren. »Ja, ich weiß. Ich muss das Ermittlungsteam in Santa Fe leiten.«
»Kann das ein Problem werden?«, erkundigte sich der CIAAgent. »Ich meine, dafür zu sorgen, dass Zeller Sie schickt?«
»Nein, das glaube ich nicht. Ich bin mir sicher, dass er die Gelegenheit nutzen und mich mit dem Job beauftragen wird«, erwiderte Pierson vorsichtig und spann den Gedanken laut weiter. »Ich bin die Expertin für die Lazarus-Bewegung im Bureau. Der verantwortliche Direktor weiß das. Und eines muss allen – vom Weißen Haus bis ganz runter zum Ende der Befehlskette – völlig klar sein. Diese entsetzliche Gräueltat muss auf irgendeine Weise irgendwie, irgendwo mit der Lazarus-Bewegung in Verbindung gebracht werden.«
»Richtig«, sagte Burke. »Und in der Zwischenzeit kümmere ich mich darum, dass TOCSIN am Ball bleibt.«
»Ist das klug?«, fragte Pierson schroff. »Vielleicht sollten wir jetzt den Stöpsel ziehen und die ganze Sache abblasen.«
»Dazu ist es zu spät«, entgegnete Burke ohne zu zögern. »Alles ist bereits in Bewegung, Kit. Entweder schwimmen wir auf der Welle, oder wir gehen unter.«
Kapitel neun
Das Weiße Haus
Die Mitglieder des nationalen Sicherheitsstabs des Präsidenten, die sich um den Konferenztisch im Krisenraum des Weißen Hauses versammelt hatten, waren bedrückter Stimmung. Was sie verdammt noch mal auch sein sollten, dachte Sam Castilla grimmig. Die ersten Berichte über die Katastrophe am Teller Institut waren schlimm genug gewesen. Und jeder neue Bericht war noch Besorgnis erregender als der letzte.
Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war viel später, als er gedacht hatte. In diesem kleinen, schallisolierten unterirdischen Raum, in den nie Tageslicht drang, war das Zeitempfinden manchmal beeinträchtigt. Es waren bereits einige Stunden vergangen, seit Fred Klein ihn von den schrecklichen Ereignissen in Santa Fe unterrichtet hatte.
Nun blickte der Präsident mit ungläubiger Miene in die Runde. »Wollen Sie damit sagen, dass wir noch immer keine verlässliche Schätzung haben, wie viele Todesopfer es gegeben hat? Weder im Institut selbst noch draußen unter den Demonstranten?«
»Ja, Mr President. Wir wissen es nicht«, räumte Bob Zeller, der amtierende Direktor des FBI ein. Er saß bekümmert nach vorn gebeugt auf seinem Stuhl. »Mehr als die Hälfte der Wissenschaftler des Instituts sind als vermisst gemeldet. Die meisten von ihnen sind
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