Die Lazarus-Vendetta
kühl und distanziert gehalten zu werden, als für schwach und unfähig. Die AntiTerror-Abteilung des FBI war kein Ort für Stechuhr drückende und ständig auf die Uhr schielende Bürotypen, die – komme, was da wolle – um Punkt fünf nach Hause gingen und sich mehr für ihre Pension interessierten als für die zunehmend gefährlicher werdenden Feinde des Landes.
Feinde wie die Lazarus-Bewegung.
Seit mehreren Monaten schon hatten sie und Hal Burke vom CIA drüben ihre Vorgesetzten gewarnt, dass die LazarusBewegung immer mehr zu einer konkreten und unmittelbaren Gefahr für die lebenswichtigen Interessen der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten wurde. Sie hätten alle Anzeichen genauestens unter die Lupe genommen, die darauf hinwiesen, dass in der Bewegung eine rhetorische Eskalation und die zunehmende Bereitschaft zu gewalttätigen Aktionen um sich griffen. Sie hatten Strategiepapiere, Analysen und sämtliche Beweise, derer sie habhaft werden konnten, vorgelegt.
Aber niemand in den höheren Entscheidungsebenen war bereit gewesen, mit dem gebotenen Nachdruck gegen die wachsende Bedrohung vorzugehen. Burkes Boss, CIA Direktor David Hanson, konnte zwar wunderbar über das Problem reden, aber wenn es darauf ankam, fehlte auch ihm die rechte Überzeugungskraft. Die meisten der Politiker waren noch schlimmer. Sie sahen nur die oberflächliche Tarnung und hielten Lazarus für eine Umweltorganisation, die allein das Wohl der Menschheit im Sinn hatte. Doch Kit Pierson fürchtete genau das, was unter dieser Tarnung verborgen war.
»Stellen Sie sich eine Terrorgruppe wie die Al-Quaida vor, die von Amerikanern, Europäern und Asiaten geführt wird – von Leuten, die aussehen wie Sie und ich oder die netten Nachbarn drüben in der Maple Lane«, ermahnte sie die Mitarbeiter ihres Stabs oft. »Welche Chancen haben unsere Profiler gegen eine solche Bedrohung?«
Hanson hatte zwar begriffen, dass die Lazarus-Bewegung eine ernst zu nehmende und akute Gefahr war, doch der CIADirektor bestand darauf, diesen Kampf mit legalen Mitteln und innerhalb der von der Politik festgelegten Grenzen zu führen. Im Gegensatz zu Pierson, Burke und anderen auf der ganzen Welt, die wussten, dass es zu spät war, nach »den Regeln« zu spielen. Sie waren entschlossen, die Initiative zu übernehmen und die Bewegung mit aggressiven Aktionen zu zerschlagen – egal, welche Mittel dafür nötig waren.
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Sie wandte sich vom Fenster ab, durchquerte den Raum mit langen, geschmeidigen Schritten und nahm beim zweiten Klingeln den Hörer ab. »Pierson.«
»Hier Burke.« Es war der Anruf, auf den sie gewartet hatte, doch ihr Pendant vom CIA im Kampf gegen den Terrorismus, der stämmige Leiter des Sonderkommandos Lazarus mit dem kantigen Kinn, klang gereizt, was sonst gar nicht seine Art war. »Ist Ihr Anschluss sauber?«, fragte er.
Sie betätigte einen Kippschalter auf ihrem Apparat, um rasch zu überprüfen, ob irgendwelche Anzeichen einer elektronischen Überwachung festzustellen waren. Das FBI investierte eine Menge Zeit und Steuergelder, um sicherzugehen, dass sein internes Telefonnetz nicht abgehört wurde. Ein grünes Licht leuchtete am Apparat auf. Sie nickte. »Wir sind unter uns.«
»Gut«, brummte Burke. Im Hintergrund waren Verkehrsgeräusche zu hören. Er rief vermutlich von seinem Autotelefon an. »In New Mexico ist was schief gelaufen, Kit. Es ist schlimm, wirklich schlimm. Viel schlimmer als wir erwartet haben. Schalten Sie irgendeinen von den KabelNachrichtensendern im Fernseher ein. Sie zeigen die Bilder in einer Endlosschleife immer wieder.«
Beunruhigt beugte sich Pierson über ihren Schreibtisch und ließ ihre Finger über die Tasten fliegen, die die TV-Bilder auf ihren Computermonitor holen würden. Eine Weile lang starrte sie stumm und geschockt auf die über ihren hochauflösenden Bildschirm flimmernden Live-Bilder, die offenbar irgendwann im Lauf des Tages vor dem Teller Institut gemacht worden waren. Noch während sie entsetzt auf den Bildschirm starrte, erschütterten neuerliche Explosionen das Gebäude. Dicke Rauchwolken verdunkelten den leuchtendblauen Himmel von New Mexico. Tausende von Demonstranten der LazarusBewegung flohen in heilloser Panik über das offene Gelände vor dem Institut und trampelten einander in ihrer Todesangst nieder. Die Kamera zoomte näher heran und zeigte albtraumhafte Bilder von Menschen, die zerschmolzen wie blutrotes Wachs.
Um Fassung ringend,
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