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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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grünliche Rücken mit weißen Kämmen bäumten sich bis ins Unendliche und näherten sich unter einem Riesendrucke; dann flogen diese Ungeheuer in der Wut des Anpralls selbst als Wasserstaub in die Höhe und fielen schließlich wieder als weißer Gischt nieder, den die Flut zu trinken und mit sich fortzuspülen schien. Unter jeder dieser Erschütterungen krachten die Bindebalken des Bollwerkes. Einem waren bereits die Stützen gebrochen, und der lange, an einem Ende noch festhaltende Mittelbalken schwankte verzweifelt wie ein lebloser Rumpf, dem eine Kartätsche die Glieder weggerissen hatte. Zwei andere hielten besser stand, aber man fühlte, wie sie in ihren Lagen erzitterten, sich abmühten und inmitten der lockeren Umschlingung dahinschwankten, die sie erst abnutzen zu wollen schien, um sie dann zu zerbrechen.
    »Ich habe es ja gesagt,« wiederholte Prouane stark betrunken, an den durchlöcherten Rumpf einer alten Barke gelehnt, »das hat man voraussehen können für den Fall, daß der Wind von oben wehe. Das Wasser macht sich lustig über die Zündhölzchen dieses jungen Mannes.«
    Diese Worte wurden mit Hohngelächter aufgenommen. Ganz Bonneville war zugegen, Männer, Weiber und Kinder; alle waren höchst belustigt über die ungeheuren Schläge, welche die Verpfählungen auszuhalten hatten. Das Meer konnte ihre baufälligen Hütten zerschmettern, sie liebten es trotzdem mit furchtsamer Bewunderung und hätten es als einen persönlichen Schimpf empfunden, wenn es der erste beste Herr mit seinen vier Pfählen und seinem Dutzend Pflöcken gezähmt hätte. Es regte sie auf und erfüllte sie wie mit einem persönlichen Triumph, das Meer endlich aufwachen und mit einem einzigen Aufreißen des Rachens den Maulkorb fortschleudern zu sehen.
    »Aufgepaßt,« schrie Houtelard, »seht nur den Hieb... Die hat ihm zwei Pfoten fortgerissen!«
    Sie riefen einander zu. Cuche zählte die Wogen.
    »Es gehören drei dazu, Ihr werdet sehen... Eine macht ihn lose! Die zweite hat schon ausgekehrt. Ah! dieses Biest, zwei haben ihr genügt!... Wirklich, ein rechtes Biest.«
    In diesen Worten lag etwas wie Zärtlichkeit. Koseworte wurden laut. Der Kinderschwarm tanzte, wenn eine mächtige Ladung Wasser sich ergoß und die Stakete mit einem Schlage zerschmetterte. Noch eine! noch eine! Alle würden niedergeworfen und geknickt wie Meerflöhe unter den Holzschuhen eines Kindes. Die Flut stieg noch immer, die große Verpfählung hielt sich noch. Auf dieses Schauspiel wartete man, es war die entscheidende Schlacht. Endlich verfingen sich die ersten Wogen in dem Gerüst; man begann zu lachen.
    »Schade, daß der junge Mann nicht da ist«, hörte man die höhnische Stimme des Lumpen Tourmal. »Er könnte sich anlehnen und sie stützen.«
    Ein Pfiff brachte ihn zum Schweigen. Lazare und Pauline waren von einigen Fischern bemerkt worden. Die beiden hatten alles gehört und betrachteten das Unheil bleich und schweigend. Die gebrochenen Balken hatten noch nichts zu bedeuten, aber die Flut mußte noch zwei Stunden lang steigen, das Dorf würde sicher Schaden leiden, wenn das Gerüst nicht standhielt. Lazare hatte Pauline an sich gepreßt und seinen Arm um ihre Hüfte geschlungen, um sie vor den Windstößen zu schützen, die wie Sensenhiebe vorbeisausten. Ein düsterer Schatten senkte sich vom Himmel nieder, die Wogen heulten, die beiden standen in diesem umherfliegenden Wasserstaube, in dem Getöse, das immer mehr zunahm, unbeweglich, in tiefer Trauer da. Rings um sie her harrten die Fischer jetzt, den Mund von einem letzten Hohnlächeln verzerrt, in wachsender Unruhe.
    »Das wird nicht lange dauern«, murmelte Houtelard.
    Das Gerüst leistete dennoch Widerstand. Bei jeder Woge, die es mit weißem Schaum bedeckte, kamen die mit Teer überzogenen schwarzen Balken zwischen dem weißen Wasser zum Vorschein. Sowie aber ein Stück Holz gebrochen war, folgten die nächsten Stück für Stück nach. Seit fünfzig Jahren hatten die ältesten Leute keinen so starken Seegang gesehen. Man mußte sich bald entfernen, die losgerissenen Balken schlugen gegen die anderen und zertrümmerten die Wehr vollständig, deren einzelne Teile heftig zu Boden geschleudert wurden. Nur ein Stück blieb aufrecht stehen, ähnlich einer jener auf den Klippen aufgepflanzten Balken. Bonneville hörte auf zu lachen, die Weiber brachten ihre Kinder unter Tränen fort. Diese schändliche See band also wieder mit ihnen an; es herrschte eine ergebene Bestürzung, es kam der erwartete

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