Die Lebenskünstlerin (German Edition)
kugelsicherer Weste, Knarre, lärmendem Funkgerät. Sie interessieren sich nicht für die süße Auslage, sondern wollen wissen, was ich gesehen habe. Völlig verwirrt frage ich nach, was denn passiert sei.
Tatsächlich ist gerade der Drogeriemarkt nebenan überfallen worden, während ich eifrig Kurznachrichten mit Bernd austauschte. Von dem Überfall und der Flucht der Täter habe ich vor lauter Hoffnung auf den Mann meines Lebens absolut nichts mitbekommen.
Die Beamten fragen mehrfach ungläubig nach, ob und was ich gesehen habe, doch ich muss ihre Hoffnungen auf eine Zeugenaussage enttäuschen.
Der Polizeihubschrauber ist das erste Ungewöhnliche gewesen, das ich mitbekommen habe, beteuere ich mehrmals.
Schließlich kann ich den beiden Beamten ja schlecht den wahren Grund für meine Unaufmerksamkeit erzählen.
Zwischendrin spüle ich öfters im Nebenzimmer die Kuchenbleche ab und der Backofen sei ziemlich laut. Meine Erklärungen klingen dürftig.
Seit Stunden habe ich nichts mehr aufgebacken. Ganz schön peinlich das Ganze. Die Polizisten geben irgendwann genervt auf.
Nach meiner aufregenden Bäckerschicht wechsle ich in die hoffentlich weniger aufregende Hotelschicht. Bei der Parkplatzsuche entdecke ich das Auto vom penetranten Maiwald, der Typ, der mir nach meinem Drängen diesen Job vermittelte. Er wirbt seit Tagen um mich, doch ich lasse ihn kalt abblitzen. Anscheinend weckt das seinen Jägerinstinkt, denn seine Bemühungen werden deutlich forscher.
Kaum erblickt er mich, eilt er auch schon auf mein Auto zu. Er nervt mit überflüssigem Winken beim Rückwärtseinparken, so dass ich ein zweites Mal ansetze, um mein Auto halbwegs ordentlich abzustellen.
Maiwald fragt nach meinem Befinden, wie der Job sei, ob ich mit ihm zum Essen gehen möchte.
Nein, will ich nicht. Ich habe keine Zeit. Inzwischen besitze ich schon mehrere Visitenkarten von ihm, seine private Handynummer und tausend gute Ratschläge und Einladungen und eine kreative Sammlung Komplimente.
Die folgenden acht Stunden im Hotel empfinde ich weitaus anstrengender als der Bäckerjob. Irgendwann mitten in der Nacht, nachdem ich einem Pärchen vom nahen Tanzlokal zu einem Zimmer für ein paar lustvolle Stunden verhelfe, ist meine Schicht beendet.
Sechzehn Stunden arbeiten, das ist zuviel. Da ich zu müde bin, um nach Hause zu fahren, schlafe ich in meinem Auto ein, sobald ich drinnen sitze.
Immerhin fällt in zwei Tagen der Bäckerjob weg. Denn ich arbeite am Monatsanfang so lange nicht, bis mein Gehalt auf dem Konto ist. Funktioniert bisher prima.
Mein wirklich letztes Blind-date steht an. Zu allem Überfluss habe ich einen echt fiesen, dicken, roten Pickel am Kinn.
Ich bin entstellt. Bis morgen bekomme ich den unmöglich weg. In der Drogerie kaufe ich alle Abdeckstifte, die ich finden kann. Einer dieser teuren Dinger wird wohl helfen.
Bedauerlicherweise kann ich mein rotes Kleid nicht anziehen, da würde der rote Pickel erst recht auffallen. Er würde sozusagen mit dem Rot des Kleides korrespondieren.
Gleich nach der Arbeit eile ich in die Klamottenläden, um etwas Passendes zum Anziehen zu finden. Ich will bei meinem letzten Blind-date möglichst gut aussehen.
Ein dezent gemustertes Kleid mit hinreißendem Ausschnitt kommt in die engere Wahl. Ich probiere es an und stöckle vor die Kabine zum großen Ganzkörperspiegel.
Zwischen Unmengen Einkaufstaschen hocken zwei wartende Ehemänner und starren verzückt mit offenen Mündern in meine Richtung.
Ich scheine das richtige Kleid gefunden zu haben.
Beschwingt bezahle das überteuerte Stück. Für so wenig Stoff so viel Geld. Trotzdem freue ich mich über meine Beute und eile nach Hause zu meinen Pickelstiften.
Gekonnt gestylt, ohne erkennbaren Pickel im Gesicht, mit aufregendem Kleid, schwinge ich mich voller Vorfreude auf mein letztes Blind-date ins Auto. Wenn Bernd mein Kleid sieht, brauche ich mir um die Beständigkeit des Pickelabdeckens keine Sorgen mehr zu machen.
Fröhlich parke ich mein Auto direkt neben dem Wilhelmsbader Park. Wenn Bernd nur halb so interessant ist wie seine fesselnden Handynachrichten, dann bekommt die Liebe in meinem Leben doch noch eine Chance.
Der Park ist wunderschön anzusehen, die Abendsonne taucht ihn in ein besonderes Licht. Enten schnattern auf dem Teich, eine aufgeregt romantische Stimmung breitet sich in mir aus.
Mit wenigen Schritten erreiche ich beschwingt die Abzweigung mit der Parkbank, die Bernd vorgeschlagen hat.
Weitere Kostenlose Bücher