Die Lebenskünstlerin (German Edition)
Anmeldeformulare für einen größeren Ansturm am Abend vor. Schließlich ist Messe in Frankfurt und etliche Gruppen haben sich vormerken lassen.
Da fegt auch schon die verbitterte und verknitterte Chefin herbei, beleidigt meine tüchtige Kollegin mit etwas für mich Unverständlichem in Ossisprache, wonach diese in Tränen ausbricht und zu den Toiletten flüchtet.
Wirklich ein abscheulicher Tag heute. In meinem Kopf summe ich eine Melodie, das mache ich meist so, wenn sich eine Krise anbahnt. Freundlich versorge ich ein paar Gäste mit den gewünschten Stadtplänen.
Später tröste ich die aufgelöste Helmi und schicke sie nach Hause. Gewissenhaft erledige ich weiterhin meine Arbeit, kontrolliere die derzeitige Zimmerbelegung, bereite die Abrechnungen vor.
Die klebrige Maiwald-Pampe liegt mir zentnerschwer im Bauch.
Die Zimmermädchen kommen nacheinander, allesamt mit trüber Miene. Sie erstatten ihren Lagebericht und lassen sich die abgegebenen Schlüssel quittieren. Ich summe weiter meine Melodie im Kopf, eine ganz einfache, ich bin leider nicht musikalisch: Tam-dam tam da da und wieder von vorne. Das hilft.
Es wird getuschelt, aber mit mir reden die Zimmermädchen nur Offizielles, denn ich stehe an der Rezeption und werde von mehreren Kameras überwacht. Wahrscheinlich steckt auch irgendwo ein Abhörgerät. Immerhin verwaltet eine Firma das Hotel, die ehemals für die Stasi arbeitete. Dazu gehören gleichfalls der schroffe Befehlston und das permanente Misstrauen.
Stur erledige ich meine Arbeit und rede mir ein, dass mich das alles nicht belastet. Außerdem habe ich mit der übermäßigen Pralinenration schwer zu kämpfen. Meine Sorge ist, zum unpassenden Moment eine Emesis auszulösen. Das ist eine griechische Umschreibung für die schwallartige Entleerung des Magens entgegen der natürlichen Richtung.
Dieser Tag ist eine einzige Quälerei. Neuankömmlinge beschweren sich aufgebracht über schmuddelige Zimmer. Die Chefin ist weiterhin hysterisch und mir ist so schrecklich übel.
Am späten Abend fahren mehrere größere Autos vor, alle in hellem Silber. Mit Kennzeichen aus dem Osten.
Fünf farblose Herren betreten die Eingangshalle, sie stecken in dunkelgrauen Anzügen vom Schneider mit passend dazu abgestimmten Krawatten und weißem Hemd. Jeder trägt in seiner Hand einen recht neu wirkenden Aktenkoffer. Ihre Mienen wirken emotionslos und verschlossen.
Die Chefin begrüßt die eigenartige Gesellschaft unsicher. Ja, geradezu demütig. Sicherlich ist dies der bereits angekündigte Große Manitu und seine Anhängsel.
Ich bin viel zu erschöpft, um mir über die Geschehnisse Gedanken zu machen. Der abendliche Ansturm mit den unvermeidbaren nächtlichen Essensbestellungen beansprucht meine letzte Kraft. Ich bin so müde, dass ich Mühe habe, noch irgendwem zuzuhören oder gar etwas zu behalten. Außerdem ist mir immer noch übel, dank Maiwalds Pralinen.
Bald habe ich es geschafft, lege für die restliche Nacht die entsprechenden Unterlagen bereit, schließe ab und schleppe mich zu meinem Auto. Endlich kann ich für wenige Minuten die Augen schließen.
Ich werde wach, als sich ein paar Discobesucher johlend voneinander verabschieden. Ihr ständiges Kreischen schmerzt in meinen müden Ohren. Der Blick auf die Uhr verrät, dass ich nahezu zwei Stunden auf meinem Sitz geschlafen habe.
Immer noch erschöpft starte ich den Motor. Schließlich kann ich ja nicht die restliche Nacht im Auto verbringen. Mir ist unendlich kalt, aber zumindest hat sich mein Magen ein bisschen beruhigt.
Endlich zu Hause stelle ich beide Wecker für die nächste Schicht in der Bäckerei. Hungrig hole ich ein paar Salzstangen aus dem Küchenschrank und setzte mich aufs Bett. Vielleicht neutralisiert das Salz den süßen Müll in meinem Bauch.
Der Wecker klingelt, benommen orientiere ich mich. Ich liege quer auf dem Bett, die Schuhe habe ich noch an. Ich bin tatsächlich im Sitzen eingeschlafen. Das Schärfste ist, meine Hand hält immer noch die Salzstangen umklammert, die ich gestern Nacht noch essen wollte. Allerdings klebt das Meiste davon auf meiner zart geblümten Ikea-Bettwäsche. Wenigstens ist mir nicht mehr schlecht.
Nach einer belebenden Dusche ziehe ich Konrads Brief aus der Tasche. Ungelesen zerreiße ich ihn, nachher landet er im Container vorm Haus. Ich bin stolz auf mich.
Etliche Tassen Kaffee vertreiben leider nicht den müden, grauen Nebel in meinem Kopf. Stattdessen bereitet das viele Koffein
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