Die Lebenskünstlerin (German Edition)
die ich von einem Prinzen erhoffe.
Warum sollte ein Mann mir meine infantilen Defizite ausgleichen? Ich will doch auch keinen Partner, der so offensichtlich eine Mama oder Amme braucht, um irgendwas zu kompensieren.
Mit ein paar mageren Floskeln verabschiede ich mich von Bernd. Wo ist bloß der Zauber seiner vielversprechenden Kurznachrichten geblieben?
Nachdenklich schlendere ich den Weg zum Parkplatz zurück. Inzwischen ist es empfindlich kühl, die Sonne ist hinter den Bäumen verschwunden. Im Auto drehe ich die Heizung auf, mir ist kalt und ich bin so unsagbar müde.
Zu Hause stelle ich mir meine beiden Wecker zur Frühschicht und lege mich erschöpft ins Bett.
Arbeiten und schlafen. So geht das die meiste Zeit, ich vernachlässige meine Freunde, meine Söhne. Bis die Probezeit beendet ist, werde ich den zweiten Job beibehalten müssen. Ich bin nicht sicher, ob ich das schaffe.
Am Morgen ist in der Bäckerei viel Betrieb, so dass ich zuerst gar nicht bemerke, dass Konrad tatsächlich wieder vor der Theke steht. Mit einem voluminösen Strauß roter Rosen. Das sieht ihm gar nicht ähnlich, viel zu teuer für den alten Knauserer. Möglicherweise gab es ein Sonderangebot am Straßenrand.
Er legt die Blumen seitlich auf die freie Ablage, dann haut er ab, als sei er auf der Flucht. Das geht alles so schnell, dass ich nicht mal protestieren kann.
Bei nächster Gelegenheit nehme ich den unvermeidbaren Brief aus dem Gestrüpp. Wie vom Straßenrand sehen die Blumen allerdings nicht aus. Keinesfalls werde ich sie mit nach Hause nehmen oder an ihnen riechen. Höchstwahrscheinlich lauert der Psychopath an irgendeiner Ecke und beobachtet mich.
Ungelesen stopfe ich den dicken Brief in meine Handtasche und scheuer die Kuchenablage blitzsauber.
Da kommt auch schon Judith, meine Ablösung, sagt Hallo und fängt sogleich an zu jammern: Ihr Gehalt sei immer noch nicht auf dem Konto.
Als sie den Rosenstrauß bemerkt, hält sie irritiert inne.
Hastig packe ich meine Handtasche, während ich mit der anderen Hand meinen Mantel vom Haken zerre.
Atemlos weiche ich ihren unausgesprochenen Worten aus: „Frag nicht, du kannst sie gerne haben.“ Mit einem abwürgenden Tschüssi bin ich auch schon an der Ladentür.
Meine dralle, dauergewellte Kollegin freut sich über das unverhoffte Blumengeschenk und schreit mir begeistert ein Dankeschön hinterher. Jeden Tag eine gute Tat.
Auf dem kurzen Weg zu meinem Auto fühle ich mich äußerst unwohl. Ob ER mich mit seinen Blicken verfolgt? Es fühlt sich an, als würde ich mitten in der Schusslinie stehen. Als bevorzugtes Zielobjekt seiner psychopathischen Begierde.
Vor dem Hotel steht der Knilch vom Arbeitsamt, der Maiwald. Er hat anscheinend länger auf mich gewartet. Als er mich erkennt, geht ein Leuchten über sein Gesicht. Beim Näherkommen bemerke ich, dass auch er ein Geschenk in seinen Händen hält.
Was ist heute für ein Tag? Valentinstag, Ostern oder Tag der einsamen Herzen? Jahrestag der Psychos?
Strahlend überreicht er mir ein kleines Schächtelchen mit handgemachten Pralinen aus der Konditorei. Die süße Verführung hat viele Gesichter, hier lockt sie als Trüffel oder Praline.
Da ich noch nicht zum Essen gekommen bin, bedanke ich mich und reiße gleich die edle Packung auf, um einige der entzückenden Kalorienbomben achtlos hinunterzuschlingen.
Damit hat der Gute nicht gerechnet. Völlig verblüfft starrt er mich an.
Meine Schicht beginnt gleich. Mit einem betont saloppen Abschiedgruß wende ich mich von dem sprachlosen Pralinenspender ab.
„Selina, ich muss dir noch etwas Wichtiges mitteilen“, druckst er plötzlich umständlich herum. Seine Unbehaglichkeit ist ihm anzusehen.
„Ich möchte nichts hören“, mampfe ich weiter und eile zum Personaleingang.
Eilig schließe ich die verrostete Metalltür auf und verschwinde im schwach beleuchteten Flur. Ihr könnt mich alle mal. Was für ein schräger Tag. Die restlichen Pralinen stopfe ich ebenfalls in meinen Mund; ich schlucke den süßen Brei und betrete pünktlich die Rezeption.
Helmi flüstert mir bei der Wachablösung, so nennen wir den Schichtwechsel hier, zu, dass heute eine ganz üble Stimmung herrscht. Soweit absolut nichts Ungewöhnliches. Irgendein Obermacker aus dem Ossiland hat sich zur Projektbesichtigung angekündigt. Die Chefin sei völlig aus dem Häuschen und total mies gelaunt. Noch mieser als sonst? Das stelle ich mir unmöglich vor.
Konzentriert bereite ich
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