Die Lebenskünstlerin (German Edition)

setzte ich mich auf einen der dunkelroten Samtsessel und greife nach dem bereitgelegten Kartendeck. Nicole unterbricht die Stille.
    „Wir möchten dir etwas mitteilen.“
     
    Interessiert betrachte ich sie. Fremd ist sie mir geworden. Mein Leben verlief so völlig in anderen Bahnen als das ihre.
    Sie schenkt mir ihr Lächeln, welches ich schon damals bemerkenswert fand. Das gibt mir etwas Vertrautes zurück und ich entspanne mich.
    „Wir sind gekommen, um mit dir eine Geistreise zu unternehmen. Da wir wissen, dass du dem Ganzen aus persönlichen Gründen abgeschworen hast, haben wir deine Einladung zum Tarotkreis angenommen, in der Hoffnung, dich umzustimmen.“
    „Wieso mit mir, es gibt tausend andere Medien, die Freude an dieser Reise haben und euch begleiten könnten“, brumme ich vermeintlich desinteressiert und lege abwartend die Karten auf den Tisch zurück.
    Was dann folgt, sind die offensichtlich unschlagbaren Vorteile meiner Eigenschaften als Medium. Dadurch, dass ich mich geschmeichelt fühle, dass ich angeblich so einzigartig sei, bin ich doch recht schnell überredet, dass wir eine Reise in die Welt der Geister unternehmen sollten. Zumal dies viel spannender ist als das harmlose Tarotkartenlegen oder Pendeln.
     
    Augenblicklich packt mich etwas von der alten Begeisterung, die ich ehemals für solche Partien hatte.
    Nach einer kurzen Meditation zur Einstimmung auf das Folgende prüfe ich mithilfe der Kinesiologie, eine Art Muskeltest, ob jede von uns bereit ist, dieses Abenteuer einzugehen.
    Zuerst bin ich versucht, das Oui-ja-Brett zu Hilfe zu nehmen, um Kontakt mit der geistigen Welt herzustellen. Jeder, der an einer solchen Séance teilnimmt, legt die Fingerspitze seines Mittelfingers der rechten Hand ganz leicht und entspannt auf die Planchette, ein kleines Holzteil mit einer Spitze. Um die Mitteilungen der Verstorbenen oder Geistwesen entschlüsseln zu können, verfügt das Brett über Buchstaben und Zahlen.
    Als alternatives Werkzeug benutzt man oft ein umgestülptes Glas oder ähnliches. Die Anrufung von Geistern war früher sogar ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Heute frönen diesem Spiel nur noch ein paar Verrückte wie wir. Ich beschließe, mich völlig auf meine Gruppe einzulassen, allerdings ohne Hilfsmittel. Mut zum Risiko.
     
    Sie bezahlen. Deswegen möchte ich den Damen auch etwas bieten, sie sollen später zufrieden nach Hause gehen.
     
    So, nun lege ich endlich los, nachdem Edith enthusiastisch ihren Engeln dankt und die anderen gespannt in meine Richtung blicken.
    Jetzt ist es an mir salbungsvolle Worte zu sprechen. Ich wechsle innerlich meine Persönlichkeit, lasse mich treiben und spreche ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden los:
    „Geister, Ihr ewige Wesen.
    Fähig zur reinen Liebe und zur allumfassenden Erkenntnis.
    Mein Licht ist noch gebunden. Wir werden uns wieder treffen ohne die Last der Materie.
    Durch meine Intuition bin ich mit der universellen Intelligenz verbunden und verfüge durch meine innere Weisheit über sie.
    Gehet allesamt hin zum ewigen Licht in dessen Antlitz wir uns spiegeln.
    Mit dem Glanz der Sonne und der Kraft des Mondes werdet ihr die übergeordnete Weisheit erkennen und ihr folgen.
    Seid heute in unserer Runde willkommene Gäste und erkennt meine Mitteilung an.
    Ich besitze die Kraft der ewigen Wesen und meine Macht ist die Weisheit.“
     
    Einen Moment warte ich und genieße die fiebrige Stimmung im Raum, bevor ich weiter spreche:
    „Wir fragen mit großem Respekt, welcher euch geziemt, ob ein Geistwesen bereit ist, mit uns in Verbindung zu treten.“
    Dazu rufe ich passend zu jeder Himmelsrichtung die Namen der Erzengel Uriel, Michael, Gabriel, und Raphael auf.
    Appelliere an Schutz und Materie, die Macht des Willens, die Tiefe der Gefühle und die Schärfe des Verstandes. Beschwöre möglichst bühnengerecht die Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft.
     
    Während alle gespannt lauschen, ob sich etwas regt oder sich gar ein Geist meldet, spüre ich eine gewisse Unruhe im Raum. Unsere Geisterbeschwörung soll einzig und allein der Kommunikation mit verstorbenen Mitmenschen dienen. Ein Informationsaustausch, der auf irdischem Wege nicht mehr so leicht zu realisieren ist.
    Heute ist der zweite Vollmond innerhalb eines Kalendermonats, ein sogenannter Blauer Mond. Und damit der ideale Zeitpunkt für Meditation, Gebet und mystische Reisen. Denn die Verbindung zwischen den Dimensionen ist unglaublich stark. Im Grunde ist der Blue Moon ein