Die Lebenskünstlerin (German Edition)
herrenloser Köter.
Ich kann es nicht glauben, dass jemand die von der Galerie verschmähten Bilder tatsächlich kaufen will. Vielleicht veräppelt der mich?
Doch er wirkt seriös, nett halt.
Mutig schiebe ich meine Zweifel beiseite und bekräftige:
“Klar sind sie verkäuflich und die anderen Bilder im Kofferraum außerdem auch.“
Begeistert betrachtet und kommentiert er meine angeblichen Schätze auf den Leinwänden. Gefühlvolles Ausdrucksmalen sei dies für ihn, da spricht die Seele der Künstlerin.
Wenn der gute Mann wüsste, wie meine Seele aussieht.
Tatsächlich wählt er mehrere Bilder aus und bietet mir eine Summe an, von der ich locker ein Vierteljahr meine Unkosten bestreiten kann. Ohne Nachzudenken und etwas atemlos nehme ich das Geld.
Fröhlich pfeifend packt er alles vorsichtig in seinen geräumigen Kofferraum und verabschiedet sich winkend von mir. Ich stehe perplex noch eine Zeitlang mit dem Geld in der Hand einfach nur da.
Ausgelassen und fröhlich treffe ich bei meinen Söhnen ein und erzähle begeistert von meinem unverhofften Glück. Endlich kann ich sie mal zu einem ordentlichen Essen einladen, es wird ein wunderbares Drei-Gänge-Menü. Ein himmlischer Tag.
Schade, dass ich mir nicht den Namen des Interessenten aufgeschrieben habe, vielleicht wäre er ja noch an weiteren Bildern interessiert gewesen. Egal, ich bin stolz und froh und alles andere ist mir egal.
Ich verabrede mich mit Elena, wir treffen uns in Gelnhausen im Café. Zuerst erzähle ich ihr natürlich brühwarm und lebhaft die Geschichte von dem Verkauf der Bilder. Sie empfiehlt mir, ich solle meine Therapeutin fragen, ob ich einige in ihrer Praxis aufhängen kann. Gute Idee, werde ich umsetzen.
Vorsichtig will ich von der gestrigen Geisterbeschwörung anfangen, als Konrad mit einer dicklichen, schlampig wirkenden Frau zur Tür herein kommt. Bestimmt viel älter als ich. Bestimmt.
Er sieht uns, dennoch versucht er, uns zu übersehen. Elena zwicke ich unsanft und aufgeregt ins Bein.
„Ja, du siehst viel besser aus, kein Vergleich zu DER da“, bestätigt sie mir, ohne dass ich überhaupt nachfragen muss.
Gutes Mädchen.
Beruhigt, dass seine vermeintlich neu Auserwählte nicht so hübsch ist, wie ich, ringe ich dennoch um Fassung. Doch das ist nicht so einfach möglich. An ein normales Gespräch mit Elena ist nicht mehr zu denken. Selbst als die Schlampe für ihn mitbezahlt und beide daraufhin das Lokal verlassen, kann ich mich nicht beruhigen. Elena fährt später recht genervt nach Hause.
Ich habe uns wohl den größten Teil des Abends verdorben. An Schlaf ist jetzt auch nicht zu denken, unruhig zapple ich in meinem Bett herum. Ich sollte meine ganzen Gedanken im Tagebuch festhalten. Manchmal hilft mir das ja. Aufgewühlt und wütend bin ich. Er löst immer noch immens viel in mir aus. Mein altes Dramamuster lässt sich anscheinend zu jeder Zeit reaktivieren.
Wütend notiere ich in mein dickes Tagebuch:
Konrad, du hättest mich haben können, ich habe dich geliebt. Jetzt sitzt du mit einer Frau da, die gar nicht dein Typ ist. Hast deine Arme verschränkt und die Mundwinkel nach unten gezogen.
Trägst den Hut, den wir zusammen für dich auf dem Barbarossamarkt aussuchten. Trägst die Schuhe, die du zuerst nicht wolltest. Die Hose, ein Geburtstagsgeschenk von mir.
Unter dem Tisch Klara, die süße Wuschelhündin, die zuerst zu mir gelaufen ist. Du sitzt stumpfsinnig an dem Tisch, an dem wir so oft gesessen haben.
Ja, es tut doch noch ziemlich weh.
Du hast bald einen runden Geburtstag, vor dem du dich fürchtest. Du hast Angst, als einsamer, alternder, depressiver Mann zu verenden. So soll es auch sein.
Dabei habe ich so viel an dir geliebt. Die langen Spaziergänge, unsere Besuche in diesem kleinen Café.
Bis alles nur noch in nervtötenden Bosheiten endete. Du wurdest aufgehetzt von deinen inneren Einflüsterern, wie du sie zu nennen pflegtest. Ewige Nörgeleien, unkontrollierte Ausbrüche, haltlose Verdächtigungen und Vorwürfe bestimmten letztlich diese Beziehung.
Richtig in Rage schreibe ich wütend weiter, nachdem ich meine letzten Zeilen noch mal durchlese:
Deine ewigen Eifersüchteleien, der entwürdigende Kontrollzwang, Schuldzuweisungen und diese gemeinen fiesen Verdrehungen der Realität. Mein Entsetzten darüber, meine Fassungslosigkeit. Mein Bemühen mit deiner Psychose und den schrecklichen Persönlichkeitswandlungen zurechtzukommen.
Ich musste dich loslassen, sonst wäre ich
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