Die Lebenskünstlerin (German Edition)
mit dir untergegangen, ich habe genug gelitten. Geradeso bekam ich noch die Kurve. Ist doch klar, dass es noch weh tut, wenn ich dich sehe. Nicht, dass ich dir nachweine, nein, ich will dich nicht mehr. Aber es ist noch was von dem Schock geblieben, noch etwas, das nicht versteht und nach dem WARUM fragt.
Ich weiß, dass du eine Krankheit hast, die nichts mit mir zu tun hat. Massenhaft habe ich darüber gelesen. Ich habe bei dir um Liebe gebettelt, wo keine sein kann.
Jemand, der so voll destruktivem Selbsthass ist, der alles zeitweise verleugnet, im dicksten Sumpf immer noch die Verantwortung für sein Leben auf andere schiebt - die böse Frauen, die Einflüsterer, die Eltern - dem ist absolut nicht möglich, für einen anderen ein liebevolles Gefühl zu entwickeln.
Zufrieden lese ich meinen wütenden Eintrag und bin überzeugt, dass es mir besser damit geht, wenn ich meine Gefühle herauslasse. Meine Therapeutin meint, in der Fantasie kann ich unbedenklich meine Wut ausleben, ich sei keine Kandidatin, die Gewaltpotential in sich trage.
Mit dem Tagebuch in der Hand liege ich schräg auf meinem Bett und ringe nach einer ganz schlimmen Wut-Loslass-Fantasie.
Möglicherweise hilft das, diese blockierten Gefühle in mir endlich loszuwerden. Depressionen sind ja nach innen gerichtete Wut. Und depressiv werden will ich nicht. Wenn ich es nicht schon längst bin.
Mit einer Axt oder Kettensäge könnte ich Konrad in Einzelteile zerlegen, genießerisch Stück für Stück. Sein Blut spritzt an die Wände und die Decke, überall rot. Das Knurren der Säge wechselt mit einem Knirschen ab, wenn die Schneide einen Knochen erwischt.
Klar will ich ihn nicht filetieren, beruhige ich mich über meine abartige Fantasie. Zumal ich kein Blut sehen kann und mich schnell ekle. Ich vermag es nicht einmal, einen Gruselfilm anzusehen, weil es mir schlecht wird. Aber es geht mir besser, als ich mir diese Fantasie gestatte und dann drüber lache.
Mir steht Besseres zu als solch eine quälende Dauerkrise in einer zerstörerischen Beziehung. So etwas darf in meinem Leben nicht mehr geschehen.
Es ist vorbei. Seine Ex erzählte mir kürzlich, dass Konrad ihre fünfzehnjährige Tochter sexuell belästigte und sie ihn daraufhin endlich hinaus warf. Das konnte ich kaum glauben.
Ein verantwortungsloser Alkoholiker, ein Loser in einer kleinen heruntergekommenen Mietwohnung in Meerholz, der krank und schäbig seinen inneren Dreck auf Frauen mit Abgrenzungsproblemen wirft. Sie beschimpft und sie als Zielscheibe für sein armseliges Leben benutzt.
Ich habe vieles ausgeblendet und sehr viel in diese Beziehung projiziert, was nicht der Realität entsprach. Zuviel ertragen, verleugnet und entschuldigt. Schlechte toxische Beziehungen ohne Liebe sind auf Prestige, Berechnung, Sex oder Abhängigkeit aufgebaut. Letzteres traf auf mich zu. Abhängig nach dem Bedürfnis, geliebt zu werden.
Ich habe meinen Anteil begriffen und hoffentlich auch gelernt. Das war schmerzhaft, aber nachhaltig.
Sollte ich mal wieder eine Beziehung eingehen, werde ich eine Art Realitätsprüfung machen. Was projiziere ich in die Beziehung hinein und was entspricht den Tatsachen?
Irgendwann ist der Richtige für mich dabei. Ich würde so gerne noch einmal heiraten, träume ich vor mich hin, bevor ich mich zwinge, diese Gedanken nicht weiter zu spinnen.
Unter meinem Wutausbruch im Tagebuch schreibe ich folgende Affirmation:
Ich segne Konrad mit Liebe, bin dankbar für das, was ich in dieser Beziehung lernen und erfahren durfte und gebe ihn frei.
Hört sich doch toll an, wenngleich noch nicht überzeugend.
Von der Schriftstellerin Louise Hay und meinem momentanen Lieblingsautor Hermann Meyer, habe ich sinngemäß erfahren, dass Gedanken Kräfte sind und mein Leben und Schicksal gestalten. Und für meine eigenen Gedanken kann ich mich selbst entscheiden.
Am nächsten Morgen werde ich von Nicole spontan zur Einzugsfeier eingeladen. Sie ist mit ihrem Mann und den beiden Söhnen nach Gelnhausen gezogen und wohnt nun dort in einem schmucken Reihenhaus.
Aufgrund ihrer Beschreibung finde ich das besagte Haus sofort, denn in der Einfahrt steht ein überdimensionaler schwarzer Geländewagen und gleich neben ihm ein recht großer silberner Mercedes. Der hauseigene Fuhrpark ist ein wichtiges Statussymbol.
Mein gewöhnliches Automobil stelle ich weit abseits an einen grünlichen Metallzaun, durch dessen Sprossen sich duftende rosafarbene Heckenrosen winden. Die Straße
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