Die Lebenskünstlerin (German Edition)
ist nämlich schon so zugestellt, dass ich mich nicht traue, in eine der kleinen verbliebenen Lücken einzuparken. So kann ich wenigstens nach der Party schnell ein paar von diesen herrlichen Rosen abzweigen.
Das Reihenhaus ist in der gleichen Form gehalten wie alle anderen Reihenhäuser in dieser Straße auch. Sogar in der Parallelstraße ist die gleiche Bauweise vertreten. Zumindest scheint zu jedem Haus ein verhältnismäßig großer Garten zu gehören.
Von außen lässt nichts darauf schließen, dass Nicole eine Esoterikbegeisterte ist. Individualität ist einzig und allein durch die beiden Autos bedingt.
Ich drücke auf die Klingel und höre drinnen laute Stimmen. Nicole drückt mich beherzt zur Begrüßung. Schnell vertreibe ich meine Bedenken bezüglich dieser Einladung. Es handelt sich schließlich um eine Einzugsfeier und nicht um eine Session.
Die Party ist schon in vollem Gange und heiter werde ich von den übrigen Gästen Willkommen geheißen. Schätzungsweise vierzig Leute finden im gemütlichen Wintergarten locker Platz.
Nun lerne ich endlich ihren Ehemann Sebastian persönlich kennen. Unsagbar viel Leid scheint er der armen Nicole zu bescheren. Sie will sich schon jahrelang von ihm scheiden lassen, weil er ein Versager im Bett sei. Doch aus Angst vor wirtschaftlicher Ungewissheit hat Nicole ihr Vorhaben bisher nicht in die Tat umgesetzt.
Schließlich gab sie ja vor zwanzig Jahren ihre erfolgversprechende Karriere in einem Hanauer Großbetrieb nur für ihn auf, so ihre Dauerplatte. Und wegen des gemeinsamen Kindes. Die Tatsache, dass letzteres nicht von ihm ist, verschweigt die Gute. Da gab es ein paar lauschige Treffen mit dem Ex, einem Handwerker, der aber nicht genug Geld nach Hause brachte, dafür im Bett aber wohl stramm seinen Mann stand.
Besagter Sebastian steht nun vor mir und begrüßt mich offen und herzlich. Volles schwarzes Haar rahmt sein freundliches Gesicht ein, die Züge fein und sensibel, die Lippen voll und die Zähne wunderbar weiß. Daran kann der schlechte Sex wohl nicht liegen. Sein restlicher Körper wirkt durchtrainiert und wohlproportioniert.
Also, wenn die Gute da nichts draus machen kann, ist ihr ja wohl nicht zu helfen.
Ich bin unbeschreiblich überrascht von seiner Erscheinung, er entspricht so gar nicht dem Bild, das ich aufgrund der Erzählungen von Nicole in meinem Kopf zusammengebastelt habe.
Sebastian behauptet, mich von einem Vortrag über kreatives Malen her zu kennen, doch ich kann mich ohnehin schlecht an meine Zuhörer erinnern. Es ist auch schon etliche Jahre her als ich solche Vorträge gehalten habe.
Ihm scheint es zu gefallen, dass ich fröhlich und freundlich zu ihm bin und er sucht den ganzen Abend immer wieder meine Nähe. Nachdem der offizielle Teil mit Essen und Kuchen zum Dessert vorüber ist und wir alle uns schon ein Stück näher gekommen sind, werden eifrig die Tische in dem großen Wintergarten zur Seite geschoben und die Klänge von Enya fordern zum Tanzen auf.
Darüber bin ich froh, denn die Unterhaltung gestaltet sich für mich zunehmend schwieriger, da rundweg alle Gäste einen leichten bis mittleren Schwips haben. Beim Tanzen kann ich entspannen und muss keine Konversation betreiben. Denke ich.
Nachdem Nicole heftig mit einem ehemaligen Nachbar aus Rodenbach flirtet, der eben noch von seiner gescheiterten Ehe erzählte, kommt Sebastian mit zwei vollen Gläsern Wein auf mich zu. Höflich bedanke ich mich für das Glas und nippe daran. Ich mag keinen Wein, ich will tanzen.
Doch Sebastian sieht aufgewühlt aus, auch ihm ist das Gebaren seiner Frau nicht entgangen. Da sie ihn ohnehin schon den ganzen Abend bloßstellt, möchte ihn aus lauter Mitgefühl nicht abweisen, als er um einen Tanz bittet.
Bisschen unwohl in meiner Haut hoffe ich, dass er den immerhin ehrlichen Einwand, ich würde am Liebsten alleine tanzen, weil ich keinen Spaß am Paartanz habe, gelten lässt. Doch damit erreiche ich nur, dass er wild um mich herum tänzelt und ich völlig aus dem Konzept bin, weil mir die Situation zunehmend unangenehmer wird.
So bugsiere ich ihn zu dem freien Tisch am Rande der Tanzfläche, auf dem wir unsere Gläser zuvor abgestellt haben. Nun folgt das, was ich vermeiden wollte.
Er klagt mir rückhaltlos sein eheliches Leid: „Nicole beschimpft mich ständig, sie schätzt meine Art von Zuwendung nicht, sondern fordert immer gierig nach mehr Geld und Besitz.“
Er schnieft hörbar, ich reiche ihm genervt ein
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