Die Lebenskünstlerin (German Edition)
vollgestopft mit totem Kapital. Ein regelrechtes Restmülllager.
Grundsätzliche Fragen dringen mit unaufhörlicher Macht an die Oberfläche:
Was will ich denn vom Leben?
Wer bin ich?
Was macht mir Spaß?
Was zum Teufel ist der Sinn meines beschissenen Lebens?
Ich ahne schon, dass ich wieder auf der Flucht vor meinen Gefühlen bin. Was immer geschieht - es hat einen Sinn. Auch wenn ich ihn noch nicht verstehe.
Es ist schon dunkel, als ich in der düsteren Bahnhofsgegend in Hanau einen Parkplatz finde. Manuela wohnt in einem üblen Wohnviertel. Schlägereien, Überfälle und Vandalismus sind hier an der Tagesordnung. Das macht mir alles nichts aus, ich bin glücklich, dass sie heute Abend für mich Zeit hat. Tatsächlich freut sie sich sehr über meinen Besuch.
Angeekelt checke ich möglichst unauffällig den angebotenen Sitzplatz ab. Daneben bemühe ich mich, nicht mit den verkrusteten Fettspuren seitlich am Stuhl in Berührung zu kommen. Manuela ist Messi und in Bezug auf den Haushalt eine Schlampe. Aber sie kann bombastisch zuhören und besitzt ein sagenhaftes Helfersyndrom. Daneben bringt die Gute ihre psychologischen Halbweisheiten an, kurz gesagt, ich fühle mich sehr wohl mit ihr, wenn auch nicht unbedingt bei ihr.
Spät verabschiede ich mich mit einer kurzen Umarmung. Auf dem Weg zum Auto beschließe ich, zu Hause sofort die vermutlich kontaminierte Kleidung zur schmutzigen Wäsche zu geben und mich selbst danach unter die Dusche zu stellen.
Kann sein, dass ich bisschen neurotisch bin. Doch besser neurotisch als schmutzig.
Malen bis zur Besinnungslosigkeit
Das Geldproblem rückt in den nächsten Tagen wieder in den Vordergrund. Eine nicht eingeplante Rechnung bringt meine Finanzen nun völlig durcheinander. Sozialhilfe ist weiterhin ein Tabuthema für mich. Nach dem missglückten Abend bei Nicole sind spirituelle Treffen mit den Frauen ausgeschlossen. Bleibt nur noch, meine restlichen Gemälde ins Auto zu packen und morgen Valentina zu fragen, ob sie ein paar von ihnen ausstellen möchte.
Meine liebe Therapeutin findet den Vorschlag hervorragend und macht sich direkt daran, die ersten Leinwände aufzuhängen. Fröhlich klopft sie wild Nägel in die frisch renovierten Wände und plaudert dabei unaufhörlich. Valentina gibt mir das Gefühl, mit meinen Bildern willkommen zu sein.
Ich spreche die Preisvorstellungen mit ihr ab und bin guter Dinge, dass sie bei ihren vielen Patienten mal das ein oder andere Bild verkaufen kann. Es befinden sich ja nicht alle Gestörte an der Armutsgrenze. Dass dies auf Dauer kein Lebensunterhalt sichert, ist mir auch klar.
Valentina betet mir in der anschließenden Therapiestunde unerschütterlich vor, dass ich ein Anrecht auf soziale Unterstützung habe. Sie bietet mir sogar an, vorübergehend mit mir die Arbeitsunfähigkeitsrente zu beantragen. Ich hätte sehr gute Chancen, diese bewilligt zu bekommen, bei meiner Vorgeschichte mit dem tiefen Kindheitstrauma.
Davon will ich nichts hören, weiß aber, dass es mit Sparen und Zwieback essen nicht getan ist. Irgendwann werde ich eine Lösung finden.
Möglicherweise sollte ich doch noch einmal einen Ausflug ins Mystische wagen. Da Edith, die Engelsanbeterin, nicht zu Nicoles Einweihungsfeier gekommen ist, weil sie unpässlich war, rufe ich sie an, um mich vorrangig nach ihrem Befinden zu erkunden.
Sie leidet an einer Sinnkrise, erklärt sie mir weitschweifig. Nun, wer denn nicht, denke ich und lasse mir in allen Facetten ihre Empfindungen und Visionen erklären. Hier und da platziere ich ein zustimmendes Brummen und warte, bis ihr Redefluss langsamer wird oder gar verebben möge.
Als der vorrangige Teil ihres Leides ausgesprochen ist, fragt sie mich, ob ich in den nächsten Tagen für sie und eine weitere Bekannte eine Sitzung halten könnte. Pendeln und Tarotkarten legen, vielleicht noch eine Chakra-Meditation zum Abschluss.
Na, das klappt doch wieder.
Ich blättere scheinbar suchend in meinem Terminkalender und entdecke doch tatsächlich zufällig noch einen freien Termin am nächsten Tag. Sie ist sogleich einverstanden. Wir klären taktvoll den Obolus und verabschieden uns.
Nachdem Edith die Chakra-Meditation erwähnt hat, fällt mir ein, dass ich zusätzlich Meditationen anbieten könnte. Herzchakra, die Dynamische nach Osho oder die Kundalini-Meditation, wobei mir letztere am Besten gefällt, weil ich gerne tanze.
Gleich erkundige ich mich bei Janette, einer Pfarrhelferin, die ich aus den
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