Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Titel: Die Lebenskünstlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute R. Albrecht
Vom Netzwerk:
braunäugigen Monika und der mageren Elisabeth sitze ich noch eine Weile oben im Matratzenraum. Wir sinnieren ausgelassen über den Sinn und Unsinn des Lebens.
    Elisabeth hat sich gerade von Kalle getrennt und ist eher vom Unsinn des Lebens überzeugt. Dagegen schwärmt Monika von einem Jochen, den sie vor einer Stunde hier kennengelernt hat, der aber schon schlafen gehen wollte.
    Ich liege lang ausgestreckt auf den Matratzen, als die Frauen von dem hereinkommenden Mann abgelenkt werden. Sie recken ihre Brüste raus und drücken dabei das Kreuz durch. Schlagartig werden ihre Stimmen höher.
    Wir Frauen sind schon komisch. Da hängen wir locker gemütlich zusammen, die Bäuche rausgestreckt und albern, bis ein Typ kommt und schon verändert sich ganz automatisch die Haltung und das Gespräch.
    Ob Männer ein ähnliches Verhalten haben, wenn eine Frau den Raum betritt?
    In früheren Freizeiten bin ich wie ein bunter Schmetterling von einer Blüte zur nächsten gehuscht. Immer auf der Suche nach dem ultimativen Kick, dem absoluten Ereignis oder Erlebnis. Abends war ich die Letzte, die den Weg ins Zimmer gefunden hat und morgens die Erste, die mit den Frühaufstehern schäkerte.
    Kondition wie ein junges Wildpferd. Adrenalin pur. Ich sog alles in mir auf, jeden Kontakt, jedes Gespräch. Allerdings musste ich erst mein Abgrenzungsproblem in den Griff bekommen. Jedem Jammerlappen hörte ich aus Mitleid zu, jedem Selbstdarsteller huldigte ich. Ließ mich als Gegenleistung anhimmeln und präsentierte mich wie ein Sahnetörtchen.
     
    Inzwischen bin ich wirklich ruhiger geworden. Mein verzweifeltes Gefallenwollen ist verschwunden. Na ja, fast. Ich muss nicht mehr überall dabei sein. Meine Angst, etwas zu verpassen, hält sich in überschaubaren Grenzen. Ich bemerke sie kaum noch. Das befreit und macht offen für die wesentlichen Dinge.
    In den nächsten Tagen gehe ich sehr viel spazieren, genieße die Schneeluft. Ab und an begleitet mich ein Freizeitler, dann ergeben sich häufig offene und intensive Gespräche. Das gefällt mir.
Allein deswegen hat es sich schon gelohnt, hierher zu fahren. Sich selbst mehr vertrauen und liebevoll mit sich umgehen, das scheint nicht nur mein Thema zu sein.
    Am nächsten Morgen gehe ich wie fast jeden Tag ins Kuschelmeeting. Das findet im Dachgeschoss statt, dunkle Holzbalken zieren und stützen die Decke, der ganze Boden ist mit liebevoll bezogenen Matratzen ausgelegt und darauf sitzen und liegen wir nahe beieinander und halten unser Meeting ab.
    Auf meinem Kissen, zwischen dem Berufsschullehrer Olaf und meiner Elena, habe ich einen bombastischen Blick aus dem Fenster.
     
    Draußen schneit es unaufhörlich, dicke weiße Flocken in einem kontinuierlichen Gleichklang, mit einer solchen Beständigkeit, dass ich es so richtig genieße zwischen all den Menschen hier zu liegen und die nächsten Tage mit ihnen zu verbringen.
    Olafs Beitrag beeindruckt mich sehr, er ist dieses Jahr den Jakobsweg ganz alleine gegangen, trotz seiner schweren Krebskrankheit, ein wahres Wunder. Das ist ein alter Pilgerweg quer durch ganz Europa und im speziellen durch Spanien. Er führt von Roncesvalles nach Santiago de Compostela zum Grab des Apostels Jakobus. Das sind knapp 800 Kilometer.
    Unvorstellbar diese Strecke alleine zu gehen, dazu noch mit einer Krebserkrankung. Wahnsinn.
    Die Erkenntnisse, die er dadurch erlangt hat, teilt er mit uns. Über die eigenen inneren Begrenzungen gehen, sich was zutrauen und seine Träume verwirklichen.
    Ich bin so beeindruckt, dass ich mich richtig von meinen Gedanken losreißen muss, da nun ich mit meinem Beitrag an der Reihe bin.
    Auch ich möchte teilen, was mich bewegt. So sortiere ich meine Gedanken und benenne meine Gefühle, um dadurch noch mehr Klarheit zu erlangen.
    Anschaulich berichte ich von meiner Suche, meinen Zweifeln, meinen Hoffnungen und meinem Wunsch, das alte Leben nun endlich hinter mir zu lassen.
    Elena ergreift nach mir das Wort, ihr verstorbener Bruder ist ihr Thema. Das Loslassen, Abschied.
    Bewegt geht es weiter in der Runde. Marion erzählt von ihrem Sohn, der sich nach etlichen Jahren nun wieder bei ihr meldet. Sie weint herzzerreißend, als sie von ihrer ehemaligen Säuferkarriere berichtet. Sogleich bekommt sie eine Hand gereicht.
    Das ist schon was Tolles hier. Wir sind alle so unterschiedlich und trotzdem irgendwie gleich.
    Mit dem Gelassenheitsspruch beenden wir unser Meeting, um uns bald beim gemeinsamen Mittagessen wieder zu treffen.
    Sehr

Weitere Kostenlose Bücher