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Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Titel: Die Lebenskünstlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute R. Albrecht
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auf den Weg zum Holzsteg.

Schiffe versenken
     
    Feierlich stampfen wir durch den tiefen Schnee. Schweigend hängen wir unseren Gedanken nach. Die Herzenswünsche müssen nicht diskutiert werden. Nach so langer Freundschaft ist klar, was die Einzelne da ersehnt.
    Der schmale Flussübergang ist zugeschneit, auf den Verzierungen des Eisengeländers sitzen kleine elegante Schneehäubchen.
    Mit den besten Wünschen setzen wir unsere Schiffchen ins Wasser. Carmen versucht ihres mit einem langen Ast wieder aufzurichten, als es zur Seite kippt.
    Das Schiffchen von Elena dreht sich gleich gänzlich um und verschwindet recht schnell mit dem Verlauf des Flusses.
    Meines sitzt wie erhofft kerzengerade auf dem Wasser und schwimmt nahezu erhaben von mir weg.
     
    Auf dem Weg zurück zur Herberge treffen wir ein paar Freizeitler. Elena ist wieder in ihrem Element, sie erzählt laut und überdreht von unserer magischen Aktion. Doch der gemeinsame Besuch des gemütlichen Cafés hier im Ort rundet diesen Tag bestens ab.
    Der Aufenthalt hier und die Menschen sind Balsam für meine Seele. Ich genieße die Gespräche, besuche viele der angebotenen Meetings und tanze jeden Abend begeistert zur Musik einer alten Anlage von Hans-Werner.
    Gelegentlich nehme ich an den gemeinschaftlichen Wanderungen teil und erfreue mich an den wunderbaren Schneelandschaften.
    Konsequent wehre ich jeden männlichen Annäherungsversuch ab. Ein Schwätzchen ist in Ordnung, aber das alte Spiel zwischen Mann und Frau muss im Moment ohne mich gespielt werden. Die Abstinenz bereichert mich, obwohl sie recht schwer durchzuhalten ist. Aber ich brauche jetzt eine männerfreie Zeit.
    In der Gemeinschaft gibt es eine Art Stundenplan. Wer möchte, kann eintragen, welche Unternehmungen oder Kurse er anbieten will. Und wo sich welches Meeting zu welchem Thema befindet.
     
    Kreatives Schreiben biete ich an, das wird auch überraschend gut angenommen, dann versuche ich es mit dem Meditativen Malen . Die Teilnehmer sind begeistert, so dass ich mich überreden lasse, dies noch einmal anzubieten.
    Dabei ist es recht unspektakulär. Ich verteile auf den Tischen Stifte, Farben, Pinsel und Tapetenrollen, auf deren unbedruckten Rückseiten gemalt wird. Kursbegleitend lasse ich meditative Musik, dieses Mal Perkussionsmusik, laufen.
    Nach einer kurzen Einstimmung besteht automatisch Schweigen. Jetzt bringen die Teilnehmer ihr inneres Bild, ihre Gefühle, Träume oder einfach nur ihre Gedanken auf dem Papier zum Ausdruck.
    Nach einer guten Stunde hauche ich dann sanft wieder Leben in die Gruppe. Der Höhepunkt des Ganzen ist das gegenseitige Vorstellen der Werke mit den entsprechenden Begründungen.
    Während das Werk für alle sichtbar an einer Tafel klemmt, schildert der Künstler intime und tiefgreifende Eindrücke seiner Seele. Ein wunderbarer Moment voller Dankbarkeit und Vertrauen.
    Abschließend bitte ich alle darum, das Anvertraute hier im Raum zu lassen und nichts davon hinauszutragen.
    Bemerkenswert ist, dass vermeintlich grobschlächtige, gestandene Männer zarte Strichführungen aufs Papier zaubern, so sensibel, dass man es kaum glauben kann.
    Im Gegensatz dazu steht das aggressive Austoben mit Pinsel und Farben von eher zarten und offensichtlich unterdrückten Frauen. Wir scheinen häufig das Gegenteil von dem auszudrücken, was wir nach außen suggerieren. Das Innere entspricht oftmals nicht dem Äußeren. Das Leben ist eben eine Bühne und wir spielen alle unsere Rolle in diesem irren Theaterstück.
     
    Als ich mit meiner Gruppe den Raum verlasse, um wieder zurück zur Gemeinschaft zu gelangen, erlebe ich gerade noch, wie ein paar Männer Adrian mit dem starren Blick aus dem Gemeinschaftsraum schaffen. Aufgeregte Stimmen empfangen uns nach unserer Reise zum Innersten.
    Adrian hat wohl eine akute Psychose, die sich mit Medikamenten nicht mehr auffangen lässt.
    Er soll abgeholt werden, es gab wohl einige unschöne Szenen.
    Bestürzt stehen wir am Fenster, als Adrian in ein ankommendes Auto steigt. Seine Tasche hat schon jemand für ihn gepackt, auf dem Weg zum Arzt oder in eine Klinik wird er von Martin und Hartmut begleitet.
    Einige weinen. Vielleicht, da sie direkt von seinem Anfall betroffen waren, vielleicht auch, weil sie sich selbst gespiegelt sehen.
    Professor Doktor Doktor ist Adrian, bezeichnenderweise ein Mediziner. Das habe ich gar nicht gewusst. Selbst die schönen Titel schützen leider nicht vor psychischen Erkrankungen. Durch diese ganze Aufregung wird

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