Die Lebküchnerin
verkrampften sich, und dann war sie tot. Es tut mir so leid, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass sie schon so alt war, dann hätte ich sie nicht allein …«
»Sie war nicht einmal zwei Jahre alt.«
»Aber … aber … woran, ich meine, wie …«, stammelte Benedicta.
»Ich befürchte, sie hat etwas Giftiges gefressen. Jedenfalls nahm ich das an, als ich ihren toten Körper fand.«
»Ihren Körper?« Benedicta blickte Konstantin fassungslos an.
»Nachdem Alisa bei mir war, war ich nur von einem Gedanken besessen – Euch zu finden. Ich gab Euch die Schuld am Tod meines treuen Tieres. Und ich war wütend, weil Ihr Alisa erzählt hattet, mein Bruder sei tot … und überhaupt … weil Ihr so entsetzlich starrsinnig seid und Euch nicht helfen lasst und weil mein Bruder fortging, ohne Euch mitzunehmen …« Er stockte, weil Benedicta sich schluchzend in seine Arme geworfen hatte.
Wie von selbst trafen sich ihre Münder, und sie küssten einander mit einer Verzweiflung, die in pure Leidenschaft mündete. Bis Benedicta erschrocken zurückfuhr und sich der Umarmung entwand.
»O Gott, was habe ich bloß getan? Könnt Ihr mir verzeihen? Es war die Verzweiflung darüber, dass Euer Bruder mich allein zurückgelassen hat …«
Während sie sich so wortreich bei ihm entschuldigte, verfinsterte sich Konstantins Gesicht.
Warum lüge ich ihn an? Warum sage ich ihm nicht die Wahrheit?, fragte sich Benedicta verzagt, doch statt ihm ihr wahres Gefühl zu offenbaren, rückte sie noch weiter von ihm ab.
»Ihr wolltet mir noch erzählen, wie Ihr Artemis gefunden habt«, murmelte sie mit belegter Stimme.
»Ich suchte die Gassen nach Bäckerhäusern ab, und da fand ich meine treue Hündin an der Ecke zur Torgasse. Ich betrachtete sie lange, bevor ich sie mit mir nahm. Und ich bin sicher: sie muss etwas Giftiges gefressen habe.«
Benedicta erstarrte. Dann griff sie in ihren Beutel und reichte Konstantin das angebissene Stück Weißbrot.
»Das fand ich eben an der Stelle, an der sie verendete.«
Konstantin nahm das Brot mit spitzen Fingern entgegen, um Benedicta nicht versehentlich zu berühren.
»Das gebe ich dem Apotheker. Wenn es Gift enthält, dann findet er es am ehesten.«
»Was könnte Eurer Meinung nach denn in dem Brot sein?«
»Blauer Eisenhut«, erwiderte er ungerührt und fügte leise hinzu: »Es werden öfter Hunde in den Gassen damit vergiftet, wenn sie überhand nehmen. Aber es ist doch recht ungewöhnlich, dass teures Weißbrot in den Gassen herumliegt.«
Benedicta kämpfte mit sich. Am liebsten wäre sie noch einmal in seine Arme geflüchtet. Sie hatte sich dort so unendlich geborgen gefühlt, aber es war zu spät.
»Ich hole Euch jetzt den Korb«, sagte er schroff und ging zur Tür.
Benedicta atmete ein paarmal tief durch. Da kehrte Konstantin auch schon mit dem Korb in der einen und dem Lederbeutel voller Geld in der anderen Hand zurück.
»Ich nehme kein Geld von Euch«, bemerkte er trocken und reichte ihr den Beutel. Zögernd griff Benedicta danach. Sie ahnte, dass es keinen Sinn hatte, ihm zu widersprechen. Dafür übergab sie ihm einen Korb voller Lebkuchen.
Er nahm ihn zögernd entgegen. »Das nächste Mal lasse ich Euch die Gewürze von einem unserer Burschen liefern. Mir ist es lieber, wenn wir uns nicht mehr sehen.« Konstantin sprach ohne jegliche Regung. Als sei sie ihm völlig gleichgültig. »Vielleicht offenbart Ihr mir dann doch, wo Ihr wohnt.«
Benedicta wollte etwas erwidern, aber sie konnte nicht. Sie fühlte sich wie betäubt. Er wollte sie also nicht wiedersehen. Das kränkte sie zutiefst.
»Lasst die Gewürze zu Alisa bringen. Ich hole sie mir dort ab«, erwiderte sie und versuchte, ebenso unbeteiligt zu klingen wie er.
Konstantin schwieg und musterte Benedicta eindringlich.
»Ich mache mich dann auf den Weg«, murmelte sie, machte aber keinerlei Anstalten zu gehen. Stattdessen sah sie ihn mit großen Augen an. Wenn er doch bloß sagen würde, dass er mich wiedersehen will, dachte sie bang, dann würde ich ihm meine Gefühle offenbaren.
»Dann lasst es Euch gut gehen, Benedicta. Und wenn Ihr einmal in Not seid, dann steht Euch diese Tür immer offen.«
Sie spürte, wie ihr diese Worte die Kehle zuschnürten. »Ich hoffe, ich brauche keine Hilfe mehr«, entgegnete sie mit brüchiger Stimme. Dann fügte sie hastig hinzu: »Ich möchte nicht gehen, ohne Euch eine letzte Lüge zu beichten.«
»Ihr seid mir keine Rechenschaft schuldig«, erwiderte er steif.
»Alisa hatte
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