Die Lebküchnerin
Quälereien rächen könnte.«
Walburga zuckte mit den Achseln. »Ich tue es nur für das unschuldige Wesen dort. Es kann doch nichts dafür. Ihr seid mir gleichgültig.«
Benedicta lächelte. So ganz glaubte sie der Schwester nicht, denn ein klein wenig hatte sie es wohl auch für die Gefangene getan. Sie scheint zu bereuen, dass sie mich während der Jahre im Kloster immer wieder angeschwärzt hat, vermutete Benedicta.
»Ihr werdet gleich morgen früh dem Provinzial vorgeführt. Er soll gar nicht erfreut darüber sein, dass Eure Flucht aus der Stadt vereitelt wurde. Aber meine Schwester sieht die Stunde der Rache gekommen. Seid vorsichtig, sie will Euch an einen Ort bringen lassen, von dem es keine Wiederkehr gibt.«
Benedicta seufzte. »Ich weiß, Euer Streit war ja nicht zu überhören, aber vielleicht könntet Ihr mir morgen noch einen kleinen Gefallen tun. Könntet Ihr das Kind so lange nehmen, bis das Urteil über mich gesprochen wird?«
»Ja, ich werde es gern hüten, während sie über Euch zu Gericht sitzen«, erwiderte Walburga und lächelte hintersinnig.
54
Walburga hielt Wort. Sie kam in aller Herrgottsfrühe und blieb mit Leon in der Zelle, nachdem ein Klosterknecht Benedicta ins Amtszimmer geholt hatte.
Benedicta betrat den Raum mit hoch erhobenem Haupt. Sie wollte ihrer Anklägerin und ihrem Richter offen in die Augen blicken. Der Provinzial sah harmloser aus, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Er war klein, dick und hatte eine auffällig rote Knollnase. Obwohl er auf einem Stuhl saß, atmete er so schwer, als würde er rennen.
Beim Anblick der Stiefmutter gefror ihr allerdings das Blut schier in den Adern, denn die verbittert dreinschauende Frau sprühte nur so vor Hass. Benedicta wandte den Blick ab. Und doch war ihr so, als würden Adelheits funkelnde Augen ihr Löcher in die Haut brennen.
Der Provinzial forderte Benedicta freundlich auf, sich zu setzen. »Ihr seid doch die Schwester mit den Lebkuchen?«, fragte er und lächelte.
»Ich muss doch sehr bitten!«, keifte Adelheit dazwischen. »Ich weiß zwar nicht, wovon Ihr sprecht, aber ich glaube nicht, dass es der Angelegenheit, die wir hier verhandeln, dienlich ist.«
Der Blick des Provinzials wurde sofort strenger, und auch seine Stimme bekam einen schärferen Klang. »Ihr wisst, welche Sünde Ihr begangen habt?«
Benedicta nickte.
»Obwohl Ihr das Gelübde abgelegt habt, seid Ihr mit einem Mann aus dem Kloster Engelthal geflüchtet.«
»Und sagtet Ihr nicht, die beiden hätten auf der Flucht zwei Klosterknechte ermordet?«, mischte sich Adelheit ein.
»Gute Frau, das können wir nicht mit Gewissheit sagen. Wir sind hier zusammengekommen, um uns zu überlegen, wie wir Schwester Benedicta am besten bestrafen, ohne dem Ruf des Klosters Engelthal zu schaden.« Der Atem des Provinzials erzeugte pfeifende Geräusche.
»Mir ist der Ruf von Engelthal gleichgültig, denn es steht der Ruf der Familie von Altmühl auf dem Spiel. Es war der letzte Wille ihres Vaters, dass man sie in ein Kloster bringen solle«, schnaubte Adelheit.
»Ihr lügt!«, schrie Benedicta. »Mein Vater wollte, dass ich eine Familie habe.«
»Aber er hat es aufgeschrieben. Ich habe es mitgebracht, ehrwürdiger Provinzial, falls das sündige Weib Zweifel säen sollte.« Adelheit überreichte dem Provinzial ein Stück Pergament.
»Darf ich es auch sehen?«, fragte Benedicta, trat, ohne eine Antwort abzuwarten, an den Tisch und betrachtete das Geschriebene aufmerksam.
»Ich wusste, dass es gefälscht ist. Dies ist nicht die Schrift meines Vaters, es ist ihre Schrift.« Benedicta deutete auf Adelheit.
»Was fällt dir ein?«, kreischte die Stiefmutter.
»Ruhe!«, krächzte der Provinzial. »Es geht nicht darum, ob es rechtens war, dass Benedicta von Altmühl ins Kloster gebracht wurde, sondern einzig und allein darum, dass sie ihr Gelübde brach.«
»Genau, und deshalb fordere ich, dass dieses unkeusche Ding in ein fernes Kloster verbracht wird, wo man sie einmauert, damit sie den Rest ihres Lebens Buße tun kann.«
»Werte Frau, das ließe sich nicht in aller Stille durchführen. Das würde ruchbar werden und womöglich dem Ruf des Klosters schaden. Ich schlage daher vor, sie einfach hier in Sankt Katharinen zu lassen und ein Auge auf sie zu haben.« Er hielt inne und sah sie prüfend an. »Ihr wärt doch bereit, in der Backstube zu arbeiten, nicht wahr?«
Wider Willen musste Benedicta lächeln.
»Damit sie Euch noch einmal entkommt?«, höhnte Adelheit.
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