Die Lebküchnerin
wollte sich nur vergewissern, dass Benedicta schlief.
Alles war still. Zu still, wie es Adelheit eiskalt durchfuhr. Nicht einmal ein Atmen war zu hören. In diesem Augenblick hatte sie die Gewissheit, dass sie allein in dem Zimmer war. Sie eilte zu dem Bett, das vom Mondlicht beschienen wurde, und fand es leer. Prüfend betastete sie das Deckbett. Es war noch warm. Lange konnte sie noch nicht fort sein.
Adelheit überlegte, ob sie ihren Sohn wecken sollte, aber sie entschied sich dagegen. Eine große Hilfe war er ihr in dieser Angelegenheit ohnehin nicht. Überdies war er bestimmt viel zu träge, um mitten in der Nacht aufzustehen.
Aber sie musste etwas unternehmen, bevor Benedicta ihr entkam. Vor dem Gasthaus wusste sie nicht, welche Richtung sie einschlagen sollte. Rechter Hand gelangte man gleich in den Wald, linker Hand auf jenen Weg, auf dem sie gekommen waren. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
Schließlich ging sie nach links. Sie war noch nicht weit gegangen, als sie vor sich zwei Frauen und einen Mann entdeckte. Benedicta, die Amme und … erst dachte sie, der Mann sei ein Fremder, aber dann kamen ihr Zweifel. Die drei blieben plötzlich stehen. Adelheit schlug sich ins Gebüsch und schlich sich auf Hörweite näher.
»So, nun müsst ihr einfach den Weg weitergehen. Und wenn ihr an eine Weggabelung kommt, haltet euch links, wenn ihr nach Würzburg wollt«, sagte eine ihr bekannte Stimme. Adelheit erstarrte. Ihr eigener Sohn fiel ihr in den Rücken! Für wen tue ich denn das alles?, fragte sie sich zornig. Und dann wurde sie auch noch Zeugin, wie er dem Weib einen prall gefüllten Geldbeutel in die Hand drückte.
»Wie kann ich es dir je danken?«, fragte Benedicta gerührt.
»Indem ihr beiden vergesst, dass ich euch geholfen habe. Das gilt auch für dich, Amme. Verrate nie einer Menschenseele, dass ich euch in Sicherheit gebracht habe. Hast du verstanden?«
Adelheit bebte vor Wut. Was sollte sie tun? Aus dem Gebüsch springen und sich auf das Weibsstück stürzen? Nein, sie hatte einen viel besseren Einfall. Vorsichtig schlich sie zurück und traute sich erst auf den Weg, als sie die Stimmen nicht mehr hörte. Dann rannte sie zum Gasthaus, als ginge es um ihr Leben. Sie stürmte in die Schenke und rief: »Wer von euch ist noch nicht so betrunken, dass er sich eine Belohnung verdienen will?«
Das wollten alle, aber Adelheit suchte sich die zwei stämmigsten Kerle aus, die noch auf ihren Beinen stehen konnten.
»Folgt mir!«, befahl sie. Als sie mit ihnen die Schenke verließ, kam ihnen Conrat entgegen, aber Adelheit schaffte es noch rechtzeitig, hinter der Häuserecke zu verschwinden. Den beiden Männern befahl sie mit einem Zeichen, sich still zu verhalten.
Sie wartete noch einen Augenblick, bis ihr Sohn ins Haus gegangen war, und erteilte den beiden Männern dann den Auftrag. »Ihr geht den Weg Richtung Nürnberg, bis ihr zwei Frauen mit einem Kind einholt …«
Die Männer grinsten. »Wer wandert schon mitten in der Nacht durch den Reichswald?«, fragte der eine und fasste sich an die Stirn.
»Ich bezahle euch nicht, damit ihr dumme Fragen stellt. Hört mir genau zu! Die lange Dürre und das Kind bringt ihr mir zurück. Ich wohne im ersten Zimmer bei der Stiege. Und stopft ihr das Maul! Ich will nicht, dass sie das Gasthaus zusammenschreit. Und die andere, die Fette, die lasst im Wald zurück und sagt ihr, wenn sie es wagt, ins Gasthaus zurückzukehren, kann sie was erleben. Und gebt ihr ruhig eine Ohrfeige, damit sie weiß, dass mit euch nicht zu spaßen ist.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, griff Adelheit in ihren Geldbeutel und reichte den beiden die Hälfte ihrer Belohnung. »Es gibt noch einmal so viel für jeden von euch, wenn ihr euren Auftrag ausgeführt habt.«
Die Männer betrachteten staunend die Münzen in ihren Händen, bevor sie sich eifrig ans Werk machten.
Adelheit schlich in ihre Kammer und atmete erleichtert auf. Fieberhaft grübelte sie darüber nach, wie sie es am morgigen Tag wohl anstellen sollte. Denn dass sie die Sache nun selbst in die Hand nehmen musste, stand außer Frage. Dafür, dass Conrat wortbrüchig geworden war, würde sie seiner Ehe mit Marie zur Strafe nicht mehr zustimmen. Nein, sie würde ihn mit der Tochter eines reichen Regensburger Kaufmanns verheiraten. Das hat er nun von seiner Dummheit, dachte sie grimmig.
Auf einmal wurde die Tür aufgerissen, und die beiden Kerle stießen Benedicta ins Zimmer. Sie war schreckensbleich, blieb aber stumm wie ein
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