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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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anbieten.«
    Mitleidig musterte Agnes die Freundin. »Darf ich kosten?«, fragte sie zaghaft.
    Benedicta nickte und blickte enttäuscht in die Runde.
    »Nehmt euch von dem Lebkuchen, was ihr in ganzen Teilen ergattern könnt, und dann säubert den Ofen von den Resten!«, befahl sie und versuchte, fröhlich zu klingen.
    Unter lautem Gejohle stürzten die Küchenmädchen alle zugleich zum Ofen, und kaum hatten sie sich die Stücke der Lebkuchen in die hungrigen Mäuler geschoben, erhob sich ein einziges Schmatzen und Seufzen.
    »Sie schmecken himmlisch!«, jubelte Theresa, und alle anderen stimmten ihr zu.
    »Was nützt es, wenn man sie nicht essen kann?«, murmelte Benedicta traurig. Ihr standen die Tränen in den Augen. »Macht den Ofen sauber! Ich habe den Mund zu voll genommen. Ihr müsst wohl weiter vorliebnehmen mit den Lebkuchen von Schwester Dietlinde«, seufzte sie und ließ sich auf einen Hocker sinken.
    »Und was fangen wir mit dem restlichen Teig an?«, fragte Theresa.
    Benedicta zuckte mit den Achseln.
    »Du willst doch nicht etwa aufgeben?« In Agnes’ Stimme schwang ein leichter Vorwurf mit.
    »Du siehst doch, was wir trotz aller Schufterei erreicht haben. Ich habe meine Fähigkeiten überschätzt. Ich sollte doch lieber in meiner Zelle beten.«
    »Hör auf zu jammern! In zwei Tagen kommt der Bote des Nürnberger Klosters, und morgen zur Frühspeisung muss für die Schwestern etwas auf dem Tisch stehen. Wie du dich erinnerst, haben wir Dietlindes Kuchen an die Schweine verfüttert. Was meinst du, welchen Ärger wir bekommen, wenn keine Lebkuchen mehr da sind! Also, lass uns zunächst darüber nachdenken, warum unser Teig damals im heißen Ofen nicht in alle Richtungen zerlief.«
    Benedicta versuchte sich zu erinnern.
    »Wir haben den Teig geknetet, wir haben die Kuchen geformt, und dann haben wir sie in den Ofen … Halt, haben wir sie nicht einige Stunden lang am Ofen stehen gelassen, weil ich zum Gebet musste?«
    Mit diesen Worten sprang sie auf, nahm einen Klumpen Teig aus dem Trog, formte ihn zu einem Viereck und tippte mit der Fingerspitze darauf, die daraufhin beinahe am Teig festklebte.
    »Agnes, das könnte die Lösung sein. Weißt du noch, wie wir damals dachten, sie seien schon fertig, als wir wieder in die Küche kamen? Ihre Oberfläche war fest und …« Sie unterbrach sich und winkte die Küchenmädchen heran. »Formt den Teig flugs zu Lebkuchen, und dann lassen wir sie für ein paar Stunden stehen. Am besten auf dem Ofen. Erst dann backen wir sie.«
    »Schwester Benedicta«, warf Theresa schüchtern ein, »dann ist es ja tiefe Nacht.«
    »Ja und?«, erwiderte Agnes barsch. »Habt ihr der Schwester nicht versprochen, bei Tag und Nacht für sie zu arbeiten? Wir haben keine andere Wahl. Morgen früh müssen wir den Schwestern eine Mahlzeit auf den Tisch bringen, die halbwegs nach Lebkuchen aussieht. Los, ihr beide formt sie. Und ihr säubert den Ofen, damit wir später die guten Lebkuchen hineinschieben können.«
    Missmutig machten sich die Küchenmädchen an die Arbeit. Das Vergnügen am Lebkuchenbacken war ihnen gründlich vergangen. Besonders den beiden, die den Ofen säuberten, denn es war eine Heidenarbeit, den Teig vom Stein abzukratzen.
    »Wir schaffen das schon«, sagte Agnes zur Ermutigung ihrer Freundin, die immer noch über etwas nachzugrübeln schien.
    Gedankenverloren starrte Benedicta zu den Küchenmädchen hinüber, die die Lebkuchen formten.
    »Vielleicht haben wir die Lösung gefunden, dass der Teig nicht auseinanderläuft, aber was sollen wir tun, damit der Teig nicht am Boden festklebt?«
    »Das war allerdings beim letzten Mal genauso«, widersprach Agnes. »Und das wussten auch die Nürnberger Brüder nie zu verhindern«, fügte sie hastig hinzu. »Die Lebkuchen kleben eben im Ofen fest, und wir müssen sie mit dem Schieber vom Boden lösen.«
    »Ich möchte aber, dass sie nicht am Boden kleben, sondern dass wir sie braun gebrannt und wohlgeformt aus dem Ofen holen können.«
    Während Benedicta weiter darüber nachsann, wie sie das bewerkstelligen sollte, lauschte sie mit halbem Ohr, worüber sich die Küchenmädchen beim Säubern des Ofens unterhielten.
    »Bevor ich noch einmal Schwester Dietlindes ungenießbares Gebäck zu mir nehme, ernähre ich mich eher von Hostien.« Das war Theresas Stimme.
    Hostien?, dachte Benedicta, und ihr Gesicht hellte sich merklich auf. »Mir fällt etwas ein!«, rief sie laut. »Oblaten! Natürlich – Oblaten! Wir gießen den Teig auf

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