Die Lebküchnerin
einen Riesenteig zu kneten, der sich so leicht bearbeiten ließ, dass es ein wahres Vergnügen war.
Fleißige Hände verteilten nun den Teig flink auf den von Agnes selbst gemachten Oblaten, und wieder andere schoben die fertig geformten Lebkuchen in den Ofen. Zwei der Küchenmädchen stöhnten bereits über Bauchweh, weil sie zu viel von dem Teig und dem Gebäck genascht hatten.
Nur Agnes, die abseits an einem anderen Tisch stand, blickte so manches Mal neiderfüllt zu ihnen hinüber, denn sie musste in aller Eile die Oblaten herstellen, um das Hostieneisen möglichst schnell wieder an seinen Platz in der Sakristei zurücklegen zu können.
Die Zeit bis zum nächsten Abend verging in Windeseile, und als sich die Nacht über Engelthal legte, waren sie alle erfüllt von dem Tagwerk. Sie legten die fertigen Lebkuchen Stück für Stück in einen Korb und formten so lange neue Lebkuchen, bis Zimt und Kardamom zur Neige gingen.
»Noch ungefähr fünfundzwanzig werden wir morgen schaffen. Dann müssen wir auf die Gewürze warten«, bemerkte Benedicta, während ihr beinahe die Augen zufielen.
Agnes allerdings ließ sich keine Müdigkeit anmerken, sondern erteilte unermüdlich Befehle. Die letzten geformten Lebkuchen ließen sie auf dem Ofen stehen, damit sie am nächsten Morgen trocken und fest waren, bevor sie gebacken werden konnten.
Als schließlich der allerletzte fertige Lebkuchen aus dem Ofen geholt war, dankte Benedicta den Mädchen und schlich sich hinüber in ihre Kammer. Dort fiel sie auf das Lager und schlief sofort ein. Sie war so erschöpft von der Arbeitsnacht, dass sie am Morgen nur einmal kurz erwachte, weil sie die Stimme des Fechtmeisters vernommen zu haben glaubte, doch so angestrengt sie auch lauschte, es blieb alles still dort draußen. Ich habe wohl geträumt, dachte sie und schlief mit dem Klang der unwirklichen Stimme im Ohr selig weiter.
9
Am nächsten Morgen wartete Agnes ungeduldig auf ihre Freundin. Der Abgesandte des Nürnberger Klosters hatte früher als angenommen die Lebkuchen für die dortigen Brüder und Schwestern abgeholt. Und er hatte der Köchin hoch und heilig versprochen, dem Bäcker Anselm Heller in der Torgasse auszurichten, dass Agnes aus dem Kloster Engelthal um sofortige Lieferung von Kardamom und Zimt für einhundert süße kleine Brote bitte. Ein bisschen mulmig war Agnes dabei schon zumute. Was sollte Anselm denken, wenn sie eine solche Bitte an ihn richtete? Gewöhnlich ließ das Kloster bei den Gewürzhändlern einkaufen. Außerdem hatten sie doch gar kein Geld, die wertvolle Ware zu bezahlen. Es hätte gerade noch gefehlt, dass der Bote bei der Priorin um Bezahlung für die Gewürze bat. Wie gut, dass Priorin Leonore noch in Nürnberg weilt, dachte Agnes. Und doch, ihr war merkwürdig zumute, obwohl sie eigentlich allen Grund zur Freude hatte. Die Lebkuchen waren ein voller Erfolg!
Theresa hatte früh am Morgen die Lebkuchen für die Schwestern zum Refektorium gebracht und auf Geheiß von Agnes beiläufig erwähnt, dass Schwester Dietlinde sich heute selbst übertroffen habe. Theresa war kichernd zurückgekehrt und hatte berichtet, dass die erste Schwester, die in einen Lebkuchen gebissen hatte, »Oh, mein Gott!« ausgerufen habe.
Das muss ich unbedingt Benedicta erzählen, ging es Agnes durch den Kopf, und sie wurde zunehmend unruhig. Wo blieb sie nur?
Die Lebkuchen waren bereits alle gebacken und kühlten nun ab, doch die Freundin war immer noch nicht erschienen. Dabei wollte sie doch noch fünfundzwanzig weitere backen, bis morgen der Nachschub an Gewürzen eintraf.
Agnes wartete noch eine Weile, bis sie es schließlich nicht mehr aushielt. Entweder war Benedicta etwas zugestoßen, oder sie schlief vor lauter Erschöpfung wegen der durchwachten Nacht so lange. Wie dem auch immer sein mochte, Agnes musste nach dem Rechten sehen. Einmal abgesehen davon, dass die Küchenmädchen darauf brannten, neuen Teig zu verarbeiten, war es wichtig, die geheime Unternehmung möglichst bald zu Ende zu führen. Agnes hatte da so ein seltsames Gefühl im Bauch.
Entschlossen schlich sie sich zu Benedictas Kammer und pochte leise an die Tür. Als sie keine Antwort erhielt, schlüpfte sie unauffällig hinein und näherte sich auf Zehenspitzen der Bettstatt der Freundin. Die lag voll bekleidet auf ihrem Lager und lächelte im Schlaf. Agnes wollte sie gerade wecken, als sie die Freundin »Julian! Julian!« seufzen hörte.
Die Köchin atmete tief durch. Das kann nicht gut gehen,
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