Die Lebküchnerin
wonniges Gestöhn gab, als die Schwestern die Fastenspeise verzehrten. Und Ihr schmeckt gar nichts? Und Ihr brecht nicht in Danksagungen für Schwester Dietlinde aus? Merkwürdig, findet Ihr nicht auch?«
Benedicta heftete den Blick weiter auf den Boden.
»Seht mich gefälligst an, wenn ich mit Euch rede!«, schnaubte Leonore.
Widerwillig hob Benedicta den Kopf. Tränen standen ihr in den Augen. Sie kämpfte mit sich. Am liebsten würde sie gleich alles gestehen, aber schließlich hatte sie Dietlinde zum Schweigen gezwungen. Da durfte sie nicht diejenige sein, die es entgegen der Abmachung ausplauderte. Das wäre gemein.
»Ich schwöre, ich kam in die Küche, weil der Hunger mich hertrieb. Damit habe ich gesündigt, und ich gestehe es. Aber vielleicht lasst Ihr mich noch einmal kosten. Wenn es einen Unterschied zu den anderen Lebkuchen gibt, will ich es Euch sagen.«
Die Priorin ließ sie daraufhin gleich noch einmal abbeißen. Benedicta kaute auf dem Lebkuchen herum, als hätte sie keine Ahnung, was er für Zutaten enthielt. Dann verdrehte sie gespielt die Augen und seufzte. »O ja, jetzt schmecke ich es auch. Dietlinde wird sicherlich mehr Honig benutzt haben.«
»Meint Ihr? Gut, dann können wir sie ja gleich selbst fragen. Da kommt sie nämlich schon.«
Wie ein geprügelter Hund betrat Schwester Dietlinde die Küche.
»Nun, liebe Schwester Dietlinde, ich bin gekommen, um Euch von der Begeisterung Eurer Mitschwestern über Eure köstlichen Lebkuchen zu berichten. Ich gebe zu, sie sind schmackhaft, doch hatte ich Euch nicht angehalten, mit dem Honig ein wenig sparsamer umzugehen? Und wie kommt Ihr gar dazu, sie auf Hostien zu backen?«
Wie vom Donner gerührt starrte Schwester Dietlinde die Vorsteherin an. »Aber … niemals würde ich unsere Hostien …«
»So, niemals? Kostet, wenn Ihr an meinen Worten zweifelt.« Die Priorin hielt ihr einen Lebkuchen hin.
Widerwillig griff Dietlinde danach. Vorsichtig nahm sie einen Bissen und spukte ihn sogleich in hohem Bogen wieder aus.
»Das ist Teufelswerk!«, schrie sie. Dann drehte sie den Lebkuchen um, starrte auf die Oblate und warf Benedicta einen vernichtenden Blick zu.
Täuschte sich Benedicta, die dem Gespräch ängstlich folgte, oder musste sich Priorin Leonore ein Lächeln verkneifen? »Teufelswerk?«, fragte sie. »Das halte ich für übertrieben. Ich würde eher sagen, es ist eine süße Versuchung, die die Schwestern in der Fastenzeit vom Beten ablenkt …« Dann stockte sie, während sie Dietlinde streng musterte und weitersprach. »Wie konnte es bloß geschehen, dass in Eurem doch so sparsam gesüßten und steinharten Lebkuchen nun der Honig nur so strömt und die Speise schier auf der Zunge zergeht? Und dass Ihr Euch der Hostien als Unterlage bedient?«
Ihr Ton war wieder scharf geworden, und der Anflug des Lächelns auf ihren Lippen war gänzlich verschwunden.
Benedicta bekam fast ein wenig Mitleid mit Dietlinde, denn die Priorin durchbohrte die arme Schwester förmlich mit strengen Blicken.
Hoffentlich hält sie ihren Mund und verrät uns nicht, dachte Benedicta noch, als sich die Mitschwester bereits auf die Knie geworfen hatte und die Priorin um Verzeihung bat. Dabei deutete sie mit dem Zeigefinger auf Benedicta.
»Sie hat mich dazu angestiftet«, jammerte sie. »Sie hat behauptet, sie wolle in der Küche Buße tun und wider Willen für mich in der Küche stehen. Ich konnte doch nicht ahnen, dass sie das als Vorwand benutzt, die Lebkuchen mit teuflischer Süße zu versehen. Und wenn ich geahnt hätte, dass sie unsere Hostien entweiht … OHerr, sie war es, o Herr, vergib mir, sie war es!«
Das Gesicht verzerrt, streckte Schwester Dietlinde die gefalteten Hände zum Himmel, als wolle sie den Herrgott nötigen, ein Wort zu ihrer Verteidigung vorzubringen.
»Schwester Dietlinde, Ihr solltet den Herren nicht anrufen, während Ihr andere beschuldigt, Euer Unrecht begangen zu haben. Ihr hattet den Befehl, in der Küche Lebkuchen herzustellen, und was habt Ihr getan? Ihr seid in Eure Zelle gegangen und habt gebetet. Dafür muss ich Euch bestrafen, und Euer Verhalten enttäuscht mich zutiefst. Von Euch hätte ich Ungehorsam am wenigsten erwartet. Ob Schwester Benedicta Euch dazu anstiftete, steht auf einem ganz anderen Blatt, aber sie wird Euch wohl kaum Schläge angedroht haben, oder?«
Dietlinde schüttelte den Kopf und bettelte die Priorin immer noch auf Knien an, sie bis auf Weiteres ohne Essen in ihrer Zelle büßen zu lassen. Sie
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