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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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Beruf nicht letztlich immer nur ein trotziges Aufbegehren gegen seinen Vater geblieben? Hatte er ihm damit nicht vordringlich beweisen wollen, dass doch ein Ritter in ihm steckte? So gern Julian das Schwert auch führte, sein Können hatte nicht genügt, um in die höchsten Kreise der Fechtmeister aufgenommen zu werden. Der alte Meister Liechtenauer, den man unlängst zu Grabe getragen hatte, war nicht zimperlich gewesen mit seinem Urteil über Julians Können. Es klang ihm noch immer in den Ohren. Ihr seid ein tapferer junger Mann, aber ich kann Euch nicht in meine Gesellschaft aufnehmen. Ihr wäret ein guter Krieger mit Dolch und Morgenstern, aber Ihr werdet niemals der Erste unter den Schwertkämpfern sein.
    Der gute Liechtenauer hatte recht, dachte Julian bitter, ich werde nie zu den Besten gehören. Aber was soll ich sonst mit mir anfangen? Zu Hause bei meinem Vater zu Kreuze kriechen, auf der Burg Müßiggang betreiben und als Edler auf Turnieren glänzen? Bei diesem Gedanken schüttelte sich Julian. Dann blieb er doch lieber ein mittelmäßiger Fechtmeister, der auf eigenen Füßen stand. Wenn er eines Tages Herr der Burg würde, dann sähe es anders aus, aber sein Vater wollte ihn ausdrücklich nicht zum Erben bestimmen. Dafür hatte der alte Herr Konstantin vorgesehen; nur – der verabscheute das Leben auf der Burg und hatte sich längst in die Stadt geflüchtet.
    Es war also nicht so sehr die Wunde an seinem Arm, die ihn quälte, als vielmehr der Gedanke an seine Zukunft. Sicher hätte ich auch auf Burg Ehrenreit genesen können, ging es Julian durch den Kopf, doch allein bei dem Gedanken an sein Zuhause verfinsterte sich seine Miene. Sein Bruder hätte sich bestimmt gefreut, aber was war mit seinem Vater? Nein, diesen abwertenden Blick, mit dem er ihn zeitlebens gemustert hatte, konnte Julian, je älter er wurde, immer schlechter ertragen. Was er auch tat, es nutzte nichts. Der Vater ließ ihn spüren, dass er ihm nicht so lieb war wie der Bruder. Schon von klein auf hatte er seinem Vater nichts recht machen können. Nach dem Tod der Mutter, die ihn stets beschützt hatte wie eine Glucke ihr Junges, war er dem unberechenbaren Zorn seines Vaters schutzlos ausgeliefert gewesen. Nur dank Konstantins Eingreifen hatte er seine Kindheit und Jugend schadlos überstanden. Immer wenn es brenzlig wurde, hatte sich sein Bruder ritterlich vor ihn gestellt und dem Vater Einhalt geboten. Von Konstantin ließ sich der verbitterte alte Herr in die Schranken weisen. Ach, Konstantin, ging es ihm wehmütig durch den Kopf, einen besseren Bruder als dich gibt es nicht. Wie gern wäre ich deinetwegen zur Burg geritten – aber so?
    Und wie würde sein Vater erst wieder die Schmach beklagen, dass sich ein Ehrenreit als niederer Fechtmeister durch das Leben schlug! Nein, Julian war seit seiner Rückkehr nur ein einziges Mal zur Burg geritten, und das hatte ihm genügt. Es stand ihm ganz und gar nicht der Sinn danach, schon wieder die groben Beschimpfungen seines Vaters über sich ergehen zu lassen. Er hasste diesen Unfrieden, der stets herrschte, wenn er mit dem alten Ritter zusammentraf, selbst wenn er, Julian, alles klaglos über sich ergehen ließ. Wie würde es erst enden, wenn er seinem Vater vorhielt, wie der wohl zu seinem Reichtum gekommen war? Alle wussten es, aber keiner wagte, darüber zu sprechen. Man hatte den Ritter von Ehrenreit niemals für seine Raubzüge zur Verantwortung gezogen, weil jedermann ihn fürchtete.
    Hier im Kloster hatte Julian seit jeher auf seltsame Weise seine innere Ruhe gefunden. Er liebte das Kloster. Konstantin hänselte ihn ein ums andere Mal ob seiner engen Beziehung zu Engelthal. Möchtest du vielleicht selbst ein Mönchlein werden?, pflegte er dann in seiner spöttischen Art zu fragen.
    Sein Bruder aber meinte es niemals böse. Ganz im Gegensatz zu seinem Vater. Der hieß es gar nicht gut, wenn sein Sohn im Kloster bei »der heiligen Tante« weilte, wie er die Schwester seiner Frau gern zu bezeichnen pflegte. Was hast du dort zu suchen?, hatte er ihn in der Vergangenheit jedes Mal angefahren, wenn Julian vom Besuch bei der Tante heimgekehrt war. Und stets grimmig hatte der Alte hinzugefügt: »Sie soll schweigend dem Herrn dienen, aber dir keinerlei Flausen in den Kopf setzen. Du bist ohnehin viel zu weich.«
    Julian seufzte. Tante Leonore war dem Vater seit jeher ein Dorn im Auge. Warum auch immer. Weil es ruchbar geworden war, dass sie einst einen Mann geliebt hatte, bevor sie sich mit

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