Die Lebküchnerin
dachte sie erschrocken. Ihr Herz steht in Flammen und schlägt voller Leidenschaft für einen anderen als ihren himmlischen Bräutigam. Wenn das nur die Priorin nicht erfährt!
Vorsichtig tippte Agnes ihr auf die Schulter.
Mit halb erschrockenem Blick und einem letzten versonnenen Lächeln auf den Lippen setzte sich die junge Nonne auf und blickte die Köchin fragend an. Schließlich war sie soeben mit Julian auf seinem Pferd durch die Wälder geritten. Ein himmlisches Gefühl. Warum musste Agnes sie dabei stören?
»Wo bin ich?«, fragte sie und rieb sich verschlafen die Augen.
»Jedenfalls nicht bei deinem Julian«, erwiderte Agnes ungerührt.
»Julian? Wie kommst du darauf, dass ich annehmen könnte, beim Fechtmeister zu sein?«, fuhr Benedicta sie an.
»Weil du seinen Namen gestöhnt hast. Ich glaube jedenfalls nicht, dass der Herr Jesus auf diese Anrede hört. Sehr vertraut seid ihr da, der Fechtmeister und du, wenn ihr euch bereits bei eurem Namen nennt.«
Benedicta zuckte unmerklich zusammen. »Nein, er hat mir seinen Namen noch nicht genannt, obwohl er mich bei meinem nennt. Ich hörte einmal, wie seine Tante ihn so rief. Und ich habe wirklich seinen Namen im Schlaf …?«, fragte sie kleinlaut nach.
»Ja, aber das habe nur ich gehört, und wenn du nicht versehentlich beim Gebet nach ihm rufst, bleibt es auch unser Geheimnis. So, und nun komm schnell. Lass uns mit dem Tagwerk beginnen. Du musst den Teig für weitere fünfundzwanzig Lebkuchen kneten. Die Bestellung der Gewürze habe ich aufgegeben. Ach, wenn das nur alles gut geht.«
»Ich hoffe nur, du hast nicht zu viel versprochen, als du sagtest, dein Bäcker könne uns die Gewürze des Orients besorgen.«
»Ich meine nicht die Gewürze. Da ist so ein merkwürdiges Grummeln in meinem Bauch. Ich glaube, wir sollten uns beeilen.«
»Und warum hast du nicht damit begonnen, den Teig zu kneten, wenn dich die Angst vor Entdeckung schon im Bauch kitzelt?«, fragte Benedicta belustigt.
»Weil du das Rezept hütest wie deinen Augapfel und ich dir während der letzten Tage nicht gründlich genug auf die Finger geguckt habe, um über die Mengen Bescheid zu wissen. Das werde ich aber heute nachholen«, erwiderte Agnes in scharfem Ton und zog die Freundin an den Händen von der Bettstatt. »Mach dich nur über mich lustig«, fügte sie beleidigt hinzu. »Ich kenne dieses Grummeln in meinem Bauch besser als du. Immer wenn ich glaube, ich hätte einen Mühlstein verschluckt, dann geschieht etwas.«
»Aber was soll denn geschehen? Morgen Nacht haben wir unser Werk getan, und keiner wird je etwas davon erfahren«, lachte Benedicta.
Schweigend schlichen sie zur Küche. Dort herrschte großes Gekicher. Theresa gab gerade zum Besten, was sie soeben im Klosterhof aufgeschnappt hatte. Dass nämlich die Schwestern beim Genuss des schmackhaften Backwerks abermals in helle Verzückung geraten waren und sich gegenseitig mit Lobpreisungen auf Schwester Dietlinde übertroffen hatten.
»Dann hurtig ans Werk, damit sie sich die nächsten Tage daran satt essen können, bevor sie wieder die Lebkuchen der Mönche bekommen«, befahl Benedicta und band sich die Schürze um.
Mit wachsender Begeisterung mischte Benedicta Mehl, Zimt und Kardamom mit einer guten Portion des Eiweißes und rührte schließlich den mit Zucker gemischten und erhitzten Honig darunter.
Wieder entstand eine weiche, leicht zu verarbeitende Masse. Dieses Mal war der Teig noch geschmeidiger, nachdem sie den erhitzten Honig hinzugefügt hatte.
»Er wird immer vollkommener«, frohlockte Benedicta, während die Küchenmädchen den Teig auf die Oblaten strichen. Sie summten fröhlich vor sich hin und waren wie Benedicta überzeugt davon, dass sich ihr unermüdlicher Einsatz für die gute Sache gelohnt hatte.
Schnell waren fünfundzwanzig runde Lebkuchen fertig, doch damit hatte sich der Vorrat an Zimt und Kardamom in der Tat endgültig erschöpft.
Jene fünfundzwanzig Lebkuchen ruhten gerade auf dem Ofen, als Benedicta zur Tür sah und ihren Augen nicht trauen wollte. Da trat eine hochgewachsene Frau ein, die vornehm gekleidet war und sie abschätzend musterte.
Wie unsere Priorin, dachte Benedicta noch, als sie begriff, dass es wirklich die ehrwürdige Priorin war, doch da war es schon zu spät, um aus der Küche zu fliehen.
10
Benedicta, Agnes und die Küchenmädchen starrten Priorin Leonore an wie eine Erscheinung. Deren finsterer Blick verhieß nichts Gutes.
»Wo ist Schwester Dietlinde?«, fragte
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