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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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versprach, sich nie wieder dem Willen der Priorin zu widersetzen, auch dann nicht, wenn man sie mit einer List dazu brächte. Während Dietlinde dies beschwor, warf sie Benedicta einen hasserfüllten Blick zu.
    »Nein, mein liebes Kind, Ihr habt es vorerst nicht verdient, mit dem Herrn Jesus zu leiden«, schlug ihr die Priorin die Bitte nach einsamer Buße ab. »Vielmehr werdet Ihr bis auf Weiteres Agnes und den Mägden beim Küchendienst helfen.«
    »Küchendienst?«, wiederholte Dietlinde, und es klang so, als hätte die Vorsteherin sie zu strengster Folter verurteilt.
    »Genau, das heißt, Ihr helft, das Essen aufzutragen, das Gemüse zu putzen, den Herd anzufeuern. Die Mägde werden Euch schon sagen, wo sie Eure Hilfe benötigen. Und nächste Woche, wenn die Fastenzeit vorüber ist, werdet Ihr auch beim Kochen helfen, und Ihr werdet weiterhin Lebkuchen backen …«
    »Aber …«, brachte Dietlinde hervor, doch weiter kam sie nicht, weil Leonore ihr energisch über den Mund fuhr.
    »Fangt an! Worauf wartet Ihr noch? Seht die Tröge voller Teigreste, die spült Ihr, bis sie wieder glänzen. Und wenn Ihr am Abend noch genügend Kraft habt, dann widmet Euch dem Gebet!«
    Sichtlich erschüttert machte sich Dietlinde ohne weitere Widerrede an einem Trog zu schaffen. Fassungslos beobachtete Benedicta das Geschehen. Sie hätte nicht erwartet, dass die Priorin Dietlinde so hart für ihr hinterhältiges Petzen bestrafen würde. Sie überlegte gerade, welche Strafe sie selbst zu erwarten hatte, da hörte sie Leonore schon in scharfem Ton zischen: »Und Ihr, Schwester Benedicta, folgt mir auf der Stelle nach draußen.«
    Wieder einmal senkte Benedicta schuldbewusst ihr Haupt und trottete wie ein geprügelter Hund hinter der Priorin her.

11
    Schweigend und schnellen Schrittes eilte die Priorin auf die Klosterzellen zu. Wenn sie doch bloß schimpfen und mir meine Sünden vorhalten würde! Das wäre mir allemal lieber als dieser stumme Vorwurf, dachte Benedicta beklommen. Vor allem waren sie bereits an der Amtszelle vorbeigegangen. Benedicta hatte vermutet, dass dort ein Donnerwetter auf sie niederprasseln würde. Aber wohin ging es jetzt? Wohin wollte die Priorin sie nur bringen? Ein ungutes Gefühl beschlich Benedicta, als sie auf den Zellentrakt der Schwestern zusteuerten.
    Als sie schließlich ihre eigene Zellentür erreichten, hielt die Priorin abrupt inne und wandte sich anklagend zu der Übeltäterin um. Dabei stieß Priorin Leonore einen tiefen Seufzer aus. »Ich weiß nicht mehr, was ich mit Euch anfangen soll.«
    Als Benedicta die Milde in Leonores Stimme vernahm, ließ sie jegliche Vorsicht fahren. »Warum darf ich nicht endlich das tun, was ich am besten kann? Lebkuchen backen! Sie sind doch auch nach der Fastenzeit noch begehrt. Als Nachspeise …«
    »Schweigt!«, herrschte Priorin Leonore Benedicta nun wütend an. »Ich werde Euch schon lehren, was es heißt, dem Herrn zu dienen. Und glaubt mir, es ist nur zu Eurem Besten. Ihr werdet Euch eine weitere Woche lang in Eure Zelle eingeschlossen in das Leiden des Herrn vertiefen. Danach erkennt Ihr vielleicht endlich einmal, was es bedeutet, die Braut des Herrn zu sein und sich in Gehorsam zu üben. Und am eigenen Leib erfahren, was es mit der Demut auf sich hat.«
    Benedicta schluckte trocken. Ihr war bei diesen Worten gänzlich der Mut vergangen, überhaupt noch etwas zu antworten, geschweige denn, Widerworte zu geben. Es hatte ja doch keinen Zweck, und so ließ sie sich widerspruchslos in ihre Zelle einsperren.
    Solange noch ein Rest fahlen Lichtes durch das winzige Fenster fiel, stierte Benedicta auf das Bild des gekreuzigten Christus, in der Hoffnung, sie werde Reue empfinden, doch stattdessen wurde sie so wütend, dass sie bald am ganzen Körper zitterte. Das Bildnis des Herrn schenkte ihr kein Fünkchen Trost, und die Tatsache, dass sie in der kalten Kammer eingesperrt war, brachte sie nicht eine Spur den Leiden Christi näher. Im Gegenteil, sie wünschte sich sehnlich, die Mauern für immer überwinden und in Freiheit leben zu können, statt eines Tages aus diesem Gefängnis geradewegs in den Himmel zu kommen. Schließlich überkam die irdische Müdigkeit sie mit solcher Macht, dass sie erschöpft einschlief.
    Mitten in der Nacht erwachte Benedicta. Obwohl es in der Zelle unangenehm kalt war, schwitzte sie. Ihr Magen knurrte, und ihr war übel vor Hunger. Sie dachte an ihre frisch gebackenen, köstlichen Lebkuchen, und das Wasser lief ihr im Mund

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