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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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vom groben Stein des Bodens aufgescheuert waren, dessen war Benedicta sich sicher. Und das war ihr ganz recht. Das Blut sollte ruhig in Strömen fließen, um der Priorin vorzuführen, wie gemein diese Strafe war. Wenn sie überhaupt einmal kommt, um mich von meinen Qualen zu erlösen, durchfuhr es Benedicta eiskalt. Doch so angestrengt sie auch lauschte, es blieb still auf dem Gang vor ihrer Kammer. Nur einmal meinte sie, die trippelnden Schritte der Mitschwestern zu hören, als sie zum Abendgebet huschten. Inzwischen war es stockdunkel in der Zelle. Kein Lichtstrahl drang mehr durch das winzige Fenster. Der Schmerz in Benedictas Knien wurde unerträglich, aber sie stand nicht auf. Sie biss die Zähne zusammen und war fest entschlossen, für ihren Frevel ernsthaft Buße zu tun. Sie hätte Dietlindes mystisches Erlebnis niemals so unverhohlen anzweifeln dürfen, obwohl sie es nach wie vor für Aufschneiderei hielt. Aber Benedicta wusste auch, wie man sich im Kloster nichts sehnlicher wünschte, als dass endlich wieder einmal ein Wunder geschah. Seit Schwester Christine Ebner mit ihren Visionen, die sie auf Geheiß ihres Beichtvaters im Jahre 1317 niedergeschrieben hatte, zu landesweiter Berühmtheit gelangt war, hatte Kloster Engelthal niemals mehr eine derartig bekannte Mystikerin hervorgebracht. Bis auf Schwester Adelheit Langmann, aber selbst die hatte nicht annähernd an Christine Ebners Ruhm herangereicht. Auf jeden Fall hatten die beiden frommen Frauen dazu beigetragen, dass Kloster Engelthal der Ruf voraneilte, ein Ort der wahrhaftigen Engel zu sein. Deshalb gab es auch immer wieder Schwestern, die sich gern damit hervorgetan hätten, dem Herrn zum Greifen nahe zu sein und dann wegen ihrer Visionen bedeutenden Männern mit Rat zur Seite zu stehen. Natürlich konnte Benedicta das verstehen, denn welche von den Mitschwestern hätte nicht gern den Kaiser empfangen, so wie es Schwester Christine damals mit Kaiser Karl erlebt hatte? Andererseits hegte Benedicta eine gewisse Skepsis gegenüber diesen Streberinnen, die nach mystischen Erfahrungen lechzten. Und Dietlinde war die schlimmste von allen. Doch sie, Benedicta, würde es nicht noch einmal wagen, ihre Meinung über die ehrgeizige Schwester zu äußern. Trotzdem, tiefe Einsicht in ihre Verfehlungen wollte sich beim besten Willen nicht einstellen. Im Gegenteil. Der Zorn erfasste sie. Wenn sie ehrlich zu sich war, und das war sie in diesem Augenblick ganz sicher, dann trieben nicht Demut und Schuldbewusstsein sie dazu, in dieser Stellung zu verharren, sondern Stolz und das sichere Gefühl, Unrecht zu erdulden. Doch was hatte sie in Christine Ebners Schriften erst kürzlich gelesen? Du sollst um kein Ding klagen, das man dir zuwider tut. Das jedenfalls hatte Gott der berühmten Schwester im Gebet geraten. Benedicta hatte dieser Satz tief beeindruckt, weil sie dies für ein nahezu unerreichbares Ziel hielt. Sie jedenfalls konnte es nicht so einfach in die Tat umsetzen. Wie oft sann sie darüber nach, womit sie sich an Schwester Walburga eines schönen Tages wohl für die böswilligen Quälereien rächen konnte.
    Priorin Leonore wird bittere Tränen vergießen, wenn sie mich eines Tages verhungert und geschunden auf dem kalten Zellenboden findet, dachte Benedicta noch, während ihr die Augen zum wiederholten Male zufielen und sie nicht mehr die Kraft verspürte, der Müdigkeit zu trotzen.

3
    Ein leise gestöhntes: »O Herr, das habe ich nicht gewollt!« aus dem Munde der Priorin ließ Benedicta aus tiefem Schlaf schrecken. Sie schlug die Augen auf und blickte im Schein einer Fackel in Leonores besorgtes Gesicht.
    »Wie konnte mir das nur passieren? Ich habe Euch völlig vergessen. Und Ihr habt Euch nicht vom Fleck gerührt. Wie konnte ich Euch nur so unrecht tun?«, stammelte Leonore und half Benedicta, sich von den kalten Steinen zu erheben. Der jungen Nonne zitterten so heftig die Knie, dass die Priorin sie auf dem Weg zur Bettstatt stützen musste. Als sich Benedicta stöhnend ausgestreckt hatte, zog die Priorin einen Kanten Brot hervor und reichte ihn ihr. Zunächst wollte Benedicta ihn trotzig verweigern, aber dann siegte der Hunger. Sie ergriff das Brot und schlang es gierig hinunter.
    »Eigentlich wollte ich Euch viel eher erlösen.« Leonores Stimme klang erschüttert, und Benedicta empfand bei diesen Worten eine gewisse Genugtuung. Um zu unterstreichen, was man ihr angetan hatte, stöhnte sie heftig auf. »Aua, aua!«
    »Bitte, verzeiht mir! Ich hatte

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