Die Lebküchnerin
Augenblick, kräftig gegen die Tür zu pochen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis jemand öffnete. Ein älterer Mann in der Kleidung der Bäcker stand vor ihnen und musterte sie nicht eben freundlich.
»Nicht einmal im eigenen Haus hat man Ruhe vor euch Gesindel«, knurrte er und fügte nicht minder verärgert hinzu: »Wartet!«
Mit diesen Worten schlug er ihnen die Tür vor der Nase zu, um sie wenig später nur einen Spaltbreit zu öffnen und zwei Kanten schwarzes Brot herauszureichen.
»Und jetzt hinfort. Sonst hole ich den Büttel«, schimpfte der Bäcker und schloss die Tür mit einem lauten Knall. So laut, dass Artemis erst knurrte und dann laut kläffte.
Die Tür flog noch einmal auf. »Hinfort, habe ich gesagt! Und nehmt gefälligst den Köter mit!«, brüllte der Bäcker und schlug ihnen erneut die Tür vor der Nase zu.
27
Ratlos standen Benedicta und Agnes vor dem Haus des Bäckers, schlangen begierig das Brot hinunter und berieten, was sie tun sollten. Die Nacht hatte sich inzwischen wie ein dunkles Tuch über die Stadt gelegt, aber vom Himmel leuchtete der volle Mond wie eine Laterne in die Gasse hinein.
»Ich traue mich nicht, noch einmal zu klopfen«, murmelte Agnes verzagt.
»Ich würde noch einmal klopfen, wenn ich wüsste, dass dein Anselm tatsächlich in diesem Haus wohnt. Oder, ob wir unser Glück doch lieber gegenüber versuchen? Vielleicht ist das ja auch sein Haus, und die Alte wollte uns nur Angst machen«, gab Benedicta vorsichtig zu bedenken.
»Wenn ich den Weg auf die andere Seite noch schaffe, ohne vor Hunger zu sterben, soll es mir recht sein. Der Kanten Brot hat mich beileibe nicht gesättigt«, stöhnte Agnes.
Sie wollten gerade die Straßenseite wechseln, als aus der Dunkelheit ein finsterer Geselle auf sie zusprang. »Gebt alles, was ihr habt!«, befahl er, während er drohend einen Schritt auf sie zukam. Doch da ertönte ein gefährliches Knurren, das ihn augenblicklich in die Flucht schlug.
»Artemis, du bist ein feines Mädchen«, lobte Benedicta das treue Tier überschwänglich.
»Hat der Kerl etwa gedacht, bei uns sei etwas zu holen?«, fragte Agnes kopfschüttelnd, bevor sie eilig die Gasse überquerte. Ehe Benedicta ihr folgen konnte, hatte die Freundin bereits an die Tür gepocht.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich etwas rührte. Dann öffnete ihnen eine junge Frau. Sie war etwa in ihrem Alter, klein und zierlich, hatte blonde Locken und blaue Augen.
»Ach, gleich zwei Bettelweiber?«, flötete sie. »Ihr habt Hunger, nicht wahr?«
Agnes und Benedicta nickten einmütig.
»Dann wartet. Ihr sollt bekommen, was ihr verdient«, säuselte sie und verschwand im Haus. Sie schlug ihnen die Tür nicht vor der Nase zu.
»Vielleicht ist das Anselms Schwester, und wir haben Glück. Ich werde sie gleich nach ihm fragen. Sie sieht aus wie ein Engel«, freute sich Agnes.
»Engel? Pah! Ich glaube, wir sollten uns schnell davonmachen«, erwiderte Benedicta und fügte hastig hinzu: »Sie hat den falschen Blick.«
»Tu doch nicht so, als würdest du die Menschen besser kennen als ich«, spottete Agnes. »Sie hat versprochen, etwas zu essen zu bringen. So jemand kann gar nicht falsch sein. Und diese feinen Locken …«
»Hast du denn nicht gesehen? Sie hat uns angesehen wie Walburga, bevor sie zur Priorin ging und mich anschwärzte.«
»Du kannst ja gern verzichten, wenn du willst. Ich nehme das Brot und frage sie nach Anselm. Du hast doch keine Ahnung von dem Leben hier …«
Ehe die Freundin ihren Satz zu Ende sprechen konnte, stürzte ein Mann mit einem Stock aus dem Haus und ließ ihn unter lauten Flüchen auf Agnes’ Rücken niedersausen. Auch dem Hund, der laut bellte, versetzte der füllige Mann mittleren Alters einen kräftigen Hieb, bis er nur noch jaulte. Dann ging er auf Benedicta los. Er hatte den Stock bereits zum Schlag erhoben, als er innehielt.
»Du siehst mir nicht aus wie ein gewöhnliches Bettelweib, aber lass dir eins sagen. Wagt es nie wieder, an meiner Tür zu pochen. Es gibt nichts für das Gesindel. Sonst werde ich arm an euch. Versucht es lieber beim Meister Heller dort drüben. Sein Sohn und er, die geben den Armen gern. Seht, da kommt auch schon der gute Anselm!«
Die beiden Frauen wandten sich um. Ein junger Mann hastete über die Gasse.
»Grüß dich, Anselm«, sagte der Bäcker nun betont freundlich. »Ich hoffe, dein gutes Herz für die Armen hält sich in Grenzen, wenn du endlich mein Schwiegersohn bist.«
»Was ist das für ein Krach
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