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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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mir nicht sagen.«
    Für einen Moment herrschte Stille. Diese Frau hat den Tod eines Kindes verschuldet, dachte Cate. Sie soll erfahren, dass ich weiß, was das für Lukes Mutter bedeutet hat. »Ich habe eine Tochter.«
    »Ich hatte einen Sohn. Joel.«
    »Möchten Sie über ihn sprechen?«
    Rose schüttelte den Kopf.
    »Was ist mit Luke?«
    Erneutes Kopfschütteln.
    »Rose, um Ihr Gutachten schreiben zu können, muss ich wissen, was in Ihnen vorgeht. Sie müssen mit mir reden. Ich weiß, dass das für Sie schmerzhaft ist, aber wenn Sie freikommen wollen, müssen wir irgendwo anfangen.«

8.
     
    Eintrag in mein schwarzes Buch
     
    Cate Austin hat nicht nach dir gefragt, Jason. Sie hat mich auch nicht gedrängt, über Lukes Tod zu sprechen, was mich überrascht hat, denn bis zur Sitzung der Bewährungskommission sind es nur noch fünf Wochen. Aber manchmal warten solche Leute einfach ab, selbst wenn sie unbedingt etwas wissen wollen. Sie wollen zuerst ein »Einvernehmen herstellen«, wie sie es nennen. Als ob das überhaupt möglich wäre.
    Nach meiner Verurteilung wurde die Verhandlung vertagt, damit sie die ganzen Berichte schreiben konnten und der Richter über das Strafmaß entschied. In der Zeit kam ein Psychiater zu mir und vergeudete unzählige Stunden damit, mich auszufragen. Er wollte wissen, was mein Lieblingsvogel sei, welche Fächer ich in der Schule gehasst habe, ob ich bestimmte Blumen mochte. Ich sagte ihm, dass ich Amseln mag, weil sie mich an meine Mutter erinnern, dass ich den Religionsunterricht gehasst habe und mir Rosen gefallen, wegen meines Namens. Nachdem er mich nach Herzenslust ausgefragt hatte, kam er auf das Feuer zu sprechen. Es war wie eine Prüfung. Auf jede Frage gab es eine richtige Antwort.
    Ich glaube, bei dieser Cate wird das anders sein. Sie hat gesagt, meine vollständige Akte liege ihr noch nicht vor. Obwohl sie hätte vorgeben können, alles über mich zu wissen. Sie wirkt kühl, aber unter der Oberfläche sieht es ja häufig anders aus. Ich habe in den letzten Jahren jede Menge Experten kennengelernt. Deshalb kenne ich mich aus und weiß, was sie am Laufen hält. Männer sind am einfachsten. Sie halten Frauen lieber für »irregeleitet« als einfach nur für schlecht. Immerzu suchen sie nach Gründen und Erklärungen.
    Zwischen Cate und mir war irgendetwas, eine Art Erkennen, als sähen wir unser Bild in einem Spiegelkabinett, verzerrt zwar, aber trotzdem vertraut. Kurze Eindrücke nur, wie ihre feuchte Hand, als sie mich begrüßt hat, und ihr mitfühlender Blick, als ich geweint habe. Sie verbirgt etwas. Etwas Verletzliches, das sie tief in sich begraben hat. Sie hat gesagt, dass sie eine Tochter hat, aber sie trägt keinen Ehering. Vielleicht ist sie geschieden oder von ihrem Mann verlassen worden. Betrogen worden. Solche Dinge zählen in einem Fall wie dem unseren, Jason.
     
    Ich sitze im Schneidersitz in meiner Zelle auf meinem Bett, einer Pritsche, die so schmal ist, dass mein Rücken an die Wand stößt und meine Knie zum Rand der Matratze reichen, und schreibe. Die Zellentür ist verschlossen, aber ich kann die Wärter auf dem Flur reden hören. Gefangene lauschen immer mit gespitzten Ohren und bleiben dabei mucksmäuschenstill. Wir wissen, wer mit wem schläft, in wessen Familie es Probleme gibt und wer krank ist. Wir kennen sämtliche Geheimnisse und Lügen. Wir wissen mehr über die Wärter als sie über uns. Um Macht zu haben, muss man nicht immer eine Uniform tragen.
    Auf dem Flur wird es ruhig. Das bedeutet, dass die Schicht gewechselt hat. Jetzt ist die Spätschicht an der Reihe, und das heißt, dass nur ein einzelner Wärter seine Runden über die Flure dreht. Jede Stunde soll er die Zellen überprüfen, aber das tut keiner von ihnen. Viele von den Frauen hier drin sind selbstmordgefährdet. Sie stehen unter Bewachung, denn es gibt etliche Wege, sich umzubringen, und auf das Gefängnis wirft es ein schlechtes Licht, wenn ein Schnürsenkel nicht beschlagnahmt oder eine Spritze übersehen wurde. Gefängnisse sind furchterregende Orte. Manchen Insassen ist der Tod lieber.
    Wenn man hier überleben will, hält man sich an die Regeln. Dass jemand einem ins Essen spuckt, ist noch das kleinste Übel. Deshalb sage ich den Neuen immer Folgendes:
    Borg dir um Himmels willen nichts, egal wie dringend du die Telefonkarte brauchst, um deiner Mutter zum Geburtstag zu gratulieren. Und lass die Finger von Drogen, egal wie dringend du einen Schuss nötig hast. Denn hier wird

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