Die leere Wiege: Roman (German Edition)
Ich reibe mich daran, zuerst sanft, dann heftiger. Du versuchst den Kopf nach Burgess zu drehen, aber ich gebe den Ton an und lasse meinen Unterleib kaum merklich kreisen. Dein Blick wird glasig, du schnappst nach Luft.
Die Besucher und Gefangenen, die in unserer Nähe sitzen, bekommen alle mit, was wir da tun. Susan setzt ihre Tochter mit dem Rücken zu uns. Ihre Mutter funkelt mich böse an.
Ich begehre dich, wie ich dich von jeher begehrt habe. Du fehlst mir, hast mir jede Nacht gefehlt. Ich will dich so sehr, dass meine Hände zittern. »Ich liebe dich, Jason.«
Du atmest schwer in mein Ohr. Deinem geöffneten Mund entringt sich ein Stöhnen. Sind deine Gedanken bei mir oder bei Emma?
Ich halte dich fest umschlungen. Langsam beruhigt sich dein Atem wieder.
Wir halten einander, bis die Klingel ertönt und du mich verlassen musst. Wieder einmal.
14.
Cate litt an einer Sommererkältung, und obwohl es noch nicht einmal zehn Uhr morgens war, fühlte sie sich schon wie gerädert. Im Papierkorb häuften sich die durchweichten Papiertaschentücher. Seit Amelia den Tag bei der Kinderfrau verbrachte, schien sie oder Cate oder beide entweder zu husten oder zu niesen. Auch Amelia hatte sich am Morgen nicht gut gefühlt, trotzdem hatte Cate sie bei Julie abgegeben, voller Gewissensbisse, weil sie mit ihrem Kind nicht zu Hause blieb. Dann hätte Amelia sich aufs Sofa kuscheln und ihre Lieblingskindersendungen anschauen können. Sie hatte Amelia an sich gedrückt, ehe sie ihre Tochter Julie überreichte, und erleichtert und kummervoll zugleich mit angesehen, wie Amelia sich in Julies Arme schmiegte, so selbstverständlich, als gehöre sie dorthin.
Cate griff nach dem nächsten Taschentuch und fragte sich, warum sie sich ständig unzulänglich fühlte, insbesondere als Mutter. Und weil sie eine gescheiterte Beziehung hinter sich hatte und Amelia ihren Vater deshalb nur an bestimmten Wochenenden sah. Dann ist das eben so, redete sie sich zu und rieb ihre geschwollenen Halsdrüsen. Es gibt Millionen Frauen, denen es nicht anders ergeht. Ich mache es wie sie. Wir jonglieren alle.
Cate wusste, dass sie nicht fit genug war, um arbeiten zu gehen, aber sie hätte sich nicht krankmelden können, das war vollkommen unmöglich. In der Zeit vor Bishop’s Hill hatte sie lange genug gefehlt, und für den Vormittag war das zweite Gespräch mit Rose Wilks geplant.
Also sammelte sie ihre Unterlagen und die frischen Taschentücher ein und machte sich auf den Weg ins Gefängnis. In der Poststelle standen einige Wärter und unterhielten sich, einschließlich Deborah Holley und Dave Callahan, der Cate zuzwinkerte. Sie lächelte höflich, wandte ihm den Rücken zu und öffnete das Fach, auf dem ihr Name stand. Es war leer. Officer Holley löste sich aus der Gruppe und kam zu ihr herüber. In der Hand hielt sie eine Akte mit einem roten Band darum.
»Suchen Sie danach?«, fragte sie und hielt Cate die Akte hin.
Cate schnappte sie sich. Auf dem Deckel stand »Rose Wilks«.
»Denken Sie an das, was ich Ihnen gesagt habe, Austin. Kein Mitleid. Wilks ist pervers. Sie hat den Knast verdient.«
Die Akte war sehr dünn. Wie kann das sein?, wunderte sich Cate. Wie kann es so wenige Unterlagen über eine Frau geben, die seit vier Jahren im Gefängnis sitzt? Sie beschloss, Holley danach zu fragen, aber die war nirgends mehr zu sehen.
»Na, schöne Frau, wie läuft’s denn so?«
Paul Chatham hatte die Poststelle betreten und lächelte sie breit an.
Cate freute sich, ihn zu sehen. »Na, wie schon? Man macht einen Schritt nach dem anderen.«
»Vorwärts oder rückwärts?«, lachte er. »Bezahlt werden wir ja so oder so. Haben Sie am Wochenende schon was vor?«
»Ja, schlafen. Ich bin nicht ganz auf dem Damm.« Cate nahm den braunen DIN-A4-Umschlag aus der Akte und zog einige Seiten hervor.
»Ist das die Akte von der Perversen?«
Cate nickte.
»Schön, wenn die Akten nicht dick sind. Dann muss man nicht viel lesen. Sollen wir später zusammen einen Kaffee trinken? So gegen halb elf?«
In ihrem winzigen Büro sortierte Cate den Inhalt der Akte und unterteilte ihn in vier kleine Stapel: Gefängnisberichte, Verhörprotokolle, Zeugenaussagen, Gutachten des Psychiaters. Letzteres war auf schwerem cremefarbenem Papier getippt, mitsamt Briefkopf, der die akademischen Titel des Gutachters auflistete. Das Gutachten war nach dem Urteil der Geschworenen verfasst worden, zur Unterstützung des Richters, der über das Strafmaß
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