Die leere Wiege: Roman (German Edition)
Gefängnis mit mir verbracht hat.
In meiner Zelle überlasse ich mich der Erinnerung. Ich habe noch immer das Amselnest von damals, klein und perfekt. Wenn ich an meine Mutter denke, halte ich es in den Händen. Nachts, wenn ich auf der schmalen Pritsche aus Armeebeständen liege, durchforste ich mein Gedächtnis wie einen Schatz und stoße auf die Perle. Meinen Jungen. Denn nachts, in der Dunkelheit, gehört er wieder mir. Ich spüre, wie er die Milch aus meiner Brust saugt. Ich nähre ihn, halte ihn am Leben, bis das erste Tageslicht durch die Gitterstäbe fällt. Niemand trauert mehr um ihn als ich.
Im Besucherraum für die Angehörigen sitze ich in meiner eigenen Kleidung, doch darüber trage ich einen roten Kittel, der mich als Gefangene ausweist. Als könnte es daran Zweifel geben. Ich passe hierher. Du mit deinen rotgoldenen Locken stichst hervor, wie ein Besucher, der übers Meer gekommen ist, ein fremder Krieger, der Glanz in dieses graue Gemäuer bringt. Die Neueren unter den Gefangenen, die dich zum ersten Mal sehen, mustern dich neugierig. Sie fragen sich, wie ich mir einen Mann wie dich angeln konnte, eine hässliche Frau wie ich. Du bist gebräunt, denn du arbeitest als Maurer an der neuen Ladenzeile, die in Ipswich errichtet wird. Die Maisonne hat deine Arme gebräunt. Dein Haar ist jetzt kürzer als früher, aber hinter den Ohren steht es immer noch ab und fängt die Sonnenstrahlen ein, die durch die vergitterten Fenster dringen.
Du nimmst meine Hand. Deine Finger sind ganz warm. »Wie geht es dir, Rose?«
Wie hältst du das nur aus?, frage ich mich. Ich dachte, du würdest mich verlassen, aber jetzt glaube ich, dass du bei mir bleibst, ganz gleich, was geschieht. Es gibt etwas Starkes, das uns beide verbindet.
»Gut. Wie geht es dir?«
»Danke, gut.«
Eine Weile sitzen wir schweigend da, und du denkst dir das nächste Thema aus. Ich höre dir gern zu, wenn du mir von den Streitereien auf der Baustelle erzählst, von den Problemen, die der Vorarbeiter mit den Hilfskräften aus Polen hat.
Dann bin ich an der Reihe. »Ich habe die Bewährungshelferin getroffen, die mein Gutachten schreiben wird.«
»Ach.«
»Bisher aber nur ein einziges Mal. Sie ist neu hier, ich bin ihr erster Fall. Sie möchte dich kennenlernen.«
»Was habe ich denn damit zu tun?«
Ich streiche dir beruhigend über die Hand. »Sie wird dich besuchen. Das muss gut laufen, Jason, denn sonst bekomme ich keine Bewährung.«
»Wie ist sie?« Du klingst nervös.
»Jünger als ich. Hübsch, aber wachsam. Eine harte Nuss.«
Du siehst dich um. Am Nachbartisch sitzt Natalie Reynolds. Sie sagt Hallo, und du lächelst sie an. An einem anderen Tisch hat Susan Thomas Besuch von ihrer Mutter bekommen. Sie hat Susans Tochter mitgebracht. Einen Moment lang schaue ich zu, wie das kleine Mädchen auf den Schoß seiner Mutter klettert und ihr verschandeltes Gesicht berührt. »Bist du vom Fahrrad gefallen, Mummy?«
Sie haben Susan versprochen, sie komme in ein anderes Gefängnis, als Lohn für ihr Schweigen, aber daraus ist nichts geworden. Sie wurde in der Dusche angegriffen, als die Gefangenen in ihren Zellen eingeschlossen waren.
Ich drücke deine Hand. »Die Bewährungshelferin wird sich nach Luke erkundigen. Und nach Emma.«
Du räusperst dich.
»Das macht dir doch nichts aus, oder?«
»Warum sollte es?« Du redest, als wäre Emma ohne Bedeutung, aber du konntest ja noch nie richtig über deine Gefühle sprechen. Doch der Gedanke, dass du ihren Namen nennst, über eure Ehe sprichst, lässt meine Brust schmerzen. Ich muss wissen, dass du mir gehörst, immer noch mein bist.
Ich streichele deine Hand. Dann küsse ich dich und genieße die Berührung unserer Lippen. Die meisten Wärter lassen so etwas zu, mit Ausnahme von Officer Holley, die darauf besteht, dass die Gefangenen auf ihren Stühlen sitzen bleiben. Aber wir sitzen in einer Ecke, und der neue Wärter Mark Burgess hat Aufsicht, sodass ich von meinem Stuhl gleite, mich auf deinen Schoß setze und die Arme um deinen Hals schlinge. In deinem Rücken sehe ich Officer Burgess, der sich in ein Buch vertieft hat und nichts mitbekommt. Mit meinem Mund auf deinen Lippen, schiele ich zu Burgess hinüber und öffne vorsichtig deinen Gürtel.
»Lass das, Rose. Die anderen können uns doch sehen.«
Natalie hat ihren Freund zu Besuch und flüstert ihm etwas ins Ohr. Die beiden drehen sich zu uns um und kichern. Durch den Stoff meines Kleides spüre ich, wie sich dein Penis regt.
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