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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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hin, doch mit den Untersuchungen warten wir noch, bis er gesünder ist. Er hat noch ein bisschen Mühe zu atmen. Das wird ihm leichter fallen, wenn er zugenommen hat und kräftiger geworden ist. Dieses Gerät hier unterstützt ihn und atmet für ihn, wenn seine Lungen nachlassen.«
    Ich schaute auf den grünlich leuchtenden Monitor und den Computerausdruck und überlegte, was ich sie noch fragen könnte. Aber die einzige Frage, die meinen Kopf beherrschte, wagte ich nicht zu stellen. Dr. Cross schien mein Schweigen als Einsicht auszulegen und trat an das nächste Bettchen. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Sie gehörte der Schwester, die ihre Eintragungen beendet hatte.
    »Haben Sie noch eine Frage, Rose?« Sie musste meine Gedanken gelesen haben, oder aber sie kannte sich in den Herzen der Mütter aus. »Bei uns ist er gut aufgehoben«, fuhr sie fort. »Schauen Sie, vor ein paar Jahren hatten wir diese Technologie noch gar nicht. Damals wären seine Überlebenschancen gering gewesen. Heute können wir so viel mehr ausrichten. Sagen Sie sich nur immer wieder, dass wir einen Schritt nach dem anderen machen.«
    Joels Lider zuckten. Dann schlug er die blauen Augen auf und war wach. Sein Blick glitt über mein Gesicht, weise wie der eines alten Mannes. Sein Erinnerungsvermögen war eigentlich noch gar nicht vorhanden, doch er reckte mir die winzigen Fäuste entgegen, als wüsste er, wer ich bin. Ich stützte mich auf den Rand seines Bettchens und reichte ihm einen Finger, den er umklammerte.
    »Joel«, flüsterte ich und probierte den Klang seines Namens aus.
     
    Als ich mich in meinem Zimmer auf das Bett setzte, war Nurse Hall gerade gegangen. Eine andere Frau erschien im Türrahmen, ganz in Weiß, wie ein Engel. Sie blinzelte, denn die Sonne schien ihr in die Augen, dann lächelte sie mich an. Ich erkannte sie sofort wieder: Sie war die Frau mit dem süßen Baby. Noch immer konnte ich sie nicht zuordnen, war mir nur sicher, dass ich sie irgendwo schon mal gesehen hatte.
    Ungebeten trat sie ein, und ich verkrampfte mich wie ein Tier, das Gefahr wittert. Sie setzte sich neben mich, und ich erkannte, wie klein sie im Vergleich zu mir war. Auch sie hatte erst vor Kurzem entbunden, aber sie wirkte ganz zierlich, und ihre Gesichtszüge waren zart wie die einer Porzellanpuppe. Ihr weißer Morgenmantel ließ sie regelrecht ätherisch scheinen.
    »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich einfach so hereingeschneit komme. Aber mein Baby schläft, und ich hatte Lust auf einen kleinen Spaziergang.«
    Ihre Worte kamen zögernd, und ihr schönes Gesicht war sorgenvoll. »Nurse Hall hat mir erzählt, dass Ihr Junge auf der Intensivstation liegt. Die Station ist zwar die beste in ganz East Anglia, aber trotzdem muss es schrecklich für Sie sein.«
    Inzwischen wusste ich, wie diese zerbrechliche Kindfrau einzuschätzen war, die blasse Haut, das weißgoldene Haar und das Muntere ihres Wesens. Sie gehörte zu den optimistischen, sonnigen Menschen, die Leute wie mich in der Regel mieden. Aber jetzt trugen wir beide ein Krankenhausarmband, und das Kinderbettchen in meinem Zimmer war leer. Wahrscheinlich hatte sie das blind gemacht.
    Oder sie war gefühlvoller, als ich dachte, denn selbst wenn wir uns nicht ähnelten, hatten wir doch beide ein Kind zur Welt gebracht, hatten beide in den Wehen gelegen. Nur dass mein Sohn mit einem Messer aus mir herausgeschnitten worden war. Zwei Babys, zwei kleine Jungen, von denen einer in einem Brutkasten um sein Leben kämpfte, während der andere friedlich schlief.
    Die Frau erkundigte sich nach Joel. Dann kam sie auf sich zu sprechen. »Mein Sohn wurde gestern geboren. Mit einem Mal setzten die Wehen ein. Ich hatte Glück, noch rechtzeitig hier anzukommen. Mein Mann ist wie ein Verrückter gefahren, ein Wunder, dass wir keinen Unfall gebaut haben.« Bei den letzten Worten kicherte sie. »Aber alles ist gut gegangen. Für ein paar Tage müssen wir noch hierbleiben.« Dann flüsterte sie: »Ich bin ziemlich schlimm gerissen.« Ein kleines Geständnis von Frau zu Frau. »Aber eigentlich bin ich ganz gern hier. Ich muss mich noch ein bisschen sammeln, denn das, was jetzt kommt, liegt mir nicht so sehr. Sie mussten mir sogar zeigen, wie man Windeln wechselt.«
    Ich hörte ihr zu und beneidete sie um ihre kleinen Sorgen. »Haben Sie denn schon einen Namen für Ihren Jungen?«, fragte ich so leichthin wie möglich.
    »Darüber haben mein Mann und ich noch nicht gesprochen. Aber ich möchte ihn

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