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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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Hektik blieb ich mit meiner Tasche an einem Haltegriff hängen.
    »Schnell!«, raunte der Fürst, der mich eiligst überholte und die Tür betätigte. Ich hatte die Tasche befreit und folgte ihm. Mit einem kühnen Schwung sprangen wir hinaus und landeten unsanft auf den Steinen des Bahndamms. Ich verdrehte mir den Knöchel, biss aber die Zähne zusammen.
    »Los, in diese Richtung!«, rief Leif gepresst und zerrte mich geduckt durch meterhohes Gras und Dornengestrüpp in die Dunkelheit hinein.
    Hinter uns knallte die Tür zu,  der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Leif schien zu wissen, wohin wir gehen mussten, denn er zog mich zielstrebig vorwärts.
    »Kannst du sie sehen?«, fragte ich leise.
    »Ja«, raunte er zurück. »Sie laufen etwa hundert Meter vor uns.«
    Ich kniff die Augen zusammen. Tatsächlich konnte ich jetzt mehrere Silhouetten wahrnehmen, die durch das Feld liefen und sich vom etwas helleren Nachthimmel abhoben.
    Wir befanden uns mitten im Nichts. Rundherum lag nur brachliegendes steppenartiges Land. Rechts von mir konnte ich in der Ferne ein paar Lichter funkeln sehen, hinter uns hob sich vor dem Horizont ein rauchender Schornstein ab. Links beschien der Mond den leeren Bahndamm. Vor uns lag nur nachtschwarze Dunkelheit. Allerdings konnte ich in einiger Entfernung regelmäßige rechteckige Schemen ausmachen, die Gebäude sein mussten. Das war vermutlich das Lager.
    Mein Herz klopfte bis zum Hals. Ich sah, wie die Männer sich auf diese Gebäude zubewegten. Als ein Windhauch Zweige eines Gebüschs zur Seite wehte, nahm ich ein schwaches Licht aus einem der Gebäude wahr. Ich hatte Scheinwerfer erwartet, die das Gelände taghell erleuchteten, um etwaige Eindringlinge wie uns oder Flüchtlinge abzuschrecken, doch diese Dunkelheit war noch viel unheimlicher. Wer wusste schon, was in dieser Finsternis an Abschreckungsmaßnahmen gegen unerwünschte Gäste getroffen worden waren. Landminen, Fallen oder Selbstschussanlagen? Wir mussten unbedingt so nah wie möglich an der kleinen Gruppe vor uns dranbleiben, denn die kannten den Weg und würde mit Sicherheit mögliche Gefahrenstellen meiden.
    Doch das war leichter gesagt als getan. Wir pirschten uns an den Pfad heran, den sie nutzten, wobei wir vorsichtig durch das Gras und Gestrüpp schlichen. Ich merkte, wie sich Dornen in meine Kleidung bohrten und Zweige Kratzer auf meiner Haut hinterließen. Zum Glück trug ich lange Kleidung (Jeans und einen dunklen Sweater, um in der Dunkelheit nicht so leicht gesehen zu werden), dennoch hinterließen die Gewächse ihre Spuren. Auch Philipp von Bismarck fluchte hin und wieder leise, wenn sich sein Fuß in einem Dornenzweig verfing oder er über eine erhöhte Grasnarbe stolperte. Nur Leif schwieg und führte uns behände einen nur für ihn sichtbaren Pfad entlang. Schließlich erreichten wir den schmalen Weg, auf dem die Gruppe vor uns gelaufen war. Hier mussten wir doppelt aufpassen, damit wir nicht entdeckt wurden. Wir kamen dem Gebäudeensemble am Horizont immer näher. Inzwischen waren vier oder fünf Lampen zu sehen, aus einem Schornstein stieg Rauch auf. Hier herrschte definitiv Leben. Endlich entdeckten wir ein Tor, in dem die vier Beamten mit Roman verschwanden. Offensichtlich waren wir angekommen. Das hieß, wir mussten uns ein verborgenes Plätzchen suchen und bis zum Morgen warten.
    Wieder krochen wir durch das Gestrüpp und wählten eine dichte Brombeerhecke aus, hinter der wir nächtigen wollten. Dort hatte sich allerdings schon jemand anderes häuslich niedergelassen. Ein Fuchs rannte erschrocken aus dem Gebüsch. Wir hielten den Atem an. Hatte jemand sein Bellen gehört?
    In dem Lager blieb alles still. Niemand kam, um nachzusehen, was der Lärm zu bedeuten hatte. Beruhigt setzten wir uns so bequem wie möglich nieder und warteten.
    Wer schon einmal eine Nacht im Freien zugebracht hat, weiß, wie endlos lang eine Stunde dort draußen sein kann, vor allem, wenn man sich nicht sonderlich komfortabel einrichten kann. Ich hatte mich im Schneidersitz hingesetzt, mein Rücken lehnte an meiner Tasche. Um mich abzulenken, beobachtete ich die Sterne, was eine wirklich spannende Beschäftigung darstellte. Es ist unglaublich, was da oben alles so rumfliegt! Immer wieder zogen kleine Lichtpunkte am Himmel ihre Bahn, und ich fragte mich, ob das Flugzeuge oder Satelliten oder Kometen oder vielleicht Asteroiden auf Crashkurs mit der Erde waren. Sechs Sternschnuppen konnte ich entdecken, wobei ich mir bei den ersten

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