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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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vermutlich noch am Abend ins Lager gebracht. Sichtlich beruhigt, dass die Welt nun einen Blutsauger weniger ertragen musste, dankte ich ihm, dann verabschiedeten wir uns. Der Fürst, der sich hier Philipp Langner nannte, ging voran, und ich folgte ihm, als wir das Gebäude verließen.
    Es dauerte tatsächlich bis zum Abend, bis sie Roman schwer bewacht in einen Wagen verfrachteten und losfuhren. Der Fürst hatte erzählt, dass zu den Lagern keine Straßen führten, um unliebsame Besucher fernzuhalten. Das schien offensichtlich auch hier der Fall zu sein, denn Roman wurde zuerst mit einem einfachen Auto zum Bahnhof gebracht, wo ein Waggon auf seine Fracht wartete.
    Ich rief Leif an. Es konnte losgehen.
    Unauffällig folgten wir dem Wagen, der uns quer durch Gallburg führte, bis er an einem kleinen Bahnhof stehenblieb. Ich war noch nie in Gallburg in einen Zug gestiegen und hatte beim Anblick des Bahnhofs auch nicht das Bedürfnis, es zu tun. Er war klein und schäbig, zwei Bettler saßen am Eingang, drei ältere Männer standen um einen Bistrotisch und tranken Klaren und Bier. In den Ecken türmten sich Dreck und alte Zeitungsschnipsel, auf dem Bahnsteig lief ein Rinnsal entlang, das aussah – und auch so roch, als käme es aus dem nächsten Gullideckel.
    Ich hatte gehofft, wir könnten uns unauffällig unter die Reisenden mischen, aber es gab kaum Reisende. Also stellten wir uns an den Bistrotisch neben den Säufern und behielten durch das Fenster den Bahnsteig und den Wagen mit dem Gefangenen auf dem Parkplatz im Auge. Es dauerte fünf endlose Minuten, bis ich Leif entdeckte. Eigentlich war es nicht Leif, den ich sah, sondern einen Schatten im Gestrüpp hinter dem Bahnsteig. Aber das musste er sein. Wer sonst würde sich auf diesem gottverlassenen Bahnhof hinter den Schienen im Gebüsch verstecken? Weitere fünf Minuten später stiegen die vier bewaffneten Männer aus und brachten ihren Gefangenen vom Parkplatz auf den Bahnsteig. Offensichtlich kam jetzt der Zug. Ich sah auf den Fahrplan auf der Wand, bei dem einige Ziffern und Buchstaben fehlten, aber ich konnte das Ziel des Zuges entziffern. Pinnwald. Ich hatte keine Ahnung, wo auf dieser Strecke da ein Lager sein sollte, aber das würden wir ja sehen.
    Schnell löste ich zwei Fahrkarten, denn ich konnte schon das Rattern des Zuges hören, der sich näherte. Gerade noch rechtzeitig hielt ich die Tickets in der Hand und eilte mit Philipp hinaus. Es war ein gemischter Zug, dessen vorderer Teil aus Personenwagen bestand, der hintere aus Güterwagen. Der allerletzte Waggon war ein Kühlwagen. Dort hinein hatten sie vermutlich Roman gesteckt. Ich konnte die Beamten nicht mehr sehen, auch von Roman fehlte jede Spur. Aber ich hoffte, dass wir in den richtigen Zug einstiegen. Vorsichtig sah ich zum Fenster hinaus, als wir endlich darin saßen. Wenn sich Leif ein gemütliches Plätzchen in, auf oder unter dem Zug suchen wollte, musste er es spätestens jetzt tun, denn der Bahnhofsvorsteher pfiff und der Zug begann, sich langsam in Bewegung zu setzen.
    Mein Herz klopfte wie wild. Ich versuchte, mich zu beruhigen, aber es gelang mir nur schlecht. Ich befand mich mitten in einer Befreiungsaktion und hatte keine Ahnung, ob bisher alles geklappt hatte. War Leif mitgekommen? Saß der Gefangene im Zug? Fuhren wir auch wirklich dem richtigen Ziel entgegen?
    Jeder Stopp verursachte bei mir Schweißausbrüche, denn ich wusste nicht, ob wir nun aussteigen mussten. Deshalb lehnte ich mich so weit wie möglich zum Fenster hinaus, um zu sehen, ob Roman mit seinen Bewachern ausstieg. Doch lange passierte nichts. Es wurde immer dunkler draußen. Der Abend war angebrochen. Bald würde ich nicht mehr viel sehen können. Und Pinnwald rückte immer näher.
    Nach der sechsten Station hielt der Zug plötzlich mitten auf freier Strecke. Warteten wir auf einen entgegenkommenden Zug oder stieg hier jemand außerplanmäßig aus? Ich beugte mich wieder zum Fenster hinaus und starrte in die Dunkelheit. Weder ein Signal noch die Lichter eines anderen Zuges waren erkennbar. Nach hinten erblickte ich nur Nacht. Doch plötzlich tauchte eine Gestalt vor meinem Fenster auf. Ich erschrak, aber dann erkannte ich ihn. Es war Leif.
    »Sie sind gerade auf der anderen Seite ausgestiegen. Ihr müsst raus«, flüsterte er.
    Schnell schnappte ich meine Tasche und hastete mit dem Fürsten zur Tür. Noch war der Sensor der Tür auf Grün gestellt. Wenn er auf Rot umsprang, kamen wir nicht mehr raus. In meiner

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