Die Legende
zusammengekrümmt, andere hockten apathisch in der Ecke. Sie öffneten kaum die Augen, als wir eintraten. Die meisten waren extrem abgemagert.
Ich musste hart schlucken, um mein Entsetzen nicht zu zeigen. In der Dunkelheit versuchte ich Robert auszumachen, doch ich konnte ihn nicht entdecken. Es waren aber auch insgesamt acht dieser Container, hatte ich gesehen. In irgendeinem davon musste er dahinvegetieren.
Wieder draußen im helllichten Tag holte ich tief Luft. »Und was genau habe ich zu tun?«, fragte ich meinen Begleiter.
»Du sorgst dafür, dass diese Elemente nicht vorzeitig die Kurve kratzen, wenn du verstehst, was ich damit meine. Wir haben eine Menge Fragen an sie: Welche Grabflüchter sie noch kennen, wo sie sich aufhalten, wer sie versteckt hält und so weiter. Wenn sie kurz vorm Abkratzen sind, päppelst du sie auf, bis sie wieder reden können. Du musst sie nicht heilen, nur irgendwie am Leben halten. Kriegst du das hin?«
Ich nickte, obwohl ich mich am liebsten übergeben hätte. Wo war ich hier hingeraten? Wie konnten Menschen nur so grausam sein? Es war unglaublich, wie eiskalt dieser Unteroffizier über diese andere Menschenrasse sprach. Er bezeichnete sie sogar nur als »Elemente«.
Ich hätte ihm gerne wüste Beschimpfungen an den Kopf geworfen und eine flammende Rede für die Freiheit der Vampire gehalten, aber ich musste mich zurückhalten, wenn ich mein Cover bewahren wollte. Also sagte ich nichts, sondern fragte ihn lediglich, was sich in dem zweistöckigen Gebäude befände.
»Dort drin sind Aufenthaltsräume für die Angestellten, die Wachen und nun auch für dich. Weil nicht immer ein Zug zurück fährt, wirst du wohl hin und wieder hier übernachten müssen. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, unter lauter Männern zu sein?«
Eher nicht, vor allem, weil ich nicht vorhatte, lange hierzubleiben. »Ich denke, das krieg ich hin«, lächelte ich.
»Dann zeig ich dir dein Zimmer«, grinste er und führte mich zu dem Haus. In diesem Moment ertönte ein Schrei aus einem der langgezogenen Flachbauten, die fast wie Baracken aussahen.
»Was war das denn?«, fragte ich besorgt.
»Ein Verhör«, antwortete mein Begleiter. »Kann sein, dass du da gleich gebraucht wirst. Also machen wir schnell weiter mit der Führung. Ich zeig dir dein Zimmer.«
Er stürmte voran, ich folgte ihm mit einem flauen Gefühl im Magen. Mich grauste es vor dem, was ich vermutlich später sehen würde. Ich konnte nur hoffen, dass mein Magen durchhielt und nicht seinen Inhalt wieder ans Tageslicht beförderte, obwohl glücklicherweise gerade nicht viel drin war.
Mein Zimmer im zweiten Stock des Gebäudes war klein und ebenfalls kühl. Wenn ich hier hätte bleiben wollen, wäre ich wahrscheinlich meine beste Patientin geworden und hätte permanent eine Erkältung kurieren müssen. Ein Bett stand in dem Raum, ein schmaler Schrank und ein Tisch mit Stuhl. Mehr passte nicht hinein. Ich stellte meine Tasche auf den Tisch und wartete, bis Unteroffizier Parrier mich alleine ließ, damit ich mich umziehen konnte.
Sofort kramte ich mein Handy aus der Tasche, um Leif anzurufen, doch ich ließ es entsetzt wieder sinken. Kein Empfang. Ich rannte zum Fenster, zur Tür und in jede Ecke, aber egal, wo ich mich aufhielt, hier gab es keinen Anschluss ans Mobilfunknetz. Wir hatten die Akkuleistung und unsere Nummern gecheckt, daran, dass es hier vielleicht keinen Empfang geben könnte, hatten wir nicht gedacht. Das bedeutete, ich konnte Leif nicht Bescheid sagen. Außer, ich schaffte es, ein Festnetztelefon zu finden. Denn irgendwie mussten Unteroffizier Parrier und seine Kameraden doch mit dem Rest der Welt kommunizieren. Aber auch das hatte nur Sinn, wenn Leif da draußen Empfang hatte. Falls wir uns hier mitten in einem Funkloch befanden, hatte ich ein ganz, ganz großes Problem.
Als ich mich in eine Art Kittel gekleidet hatte, verließ ich den trostlosen Raum wieder und stiefelte den Gang entlang Richtung Treppe. Dabei sah ich mich vorsichtig um. Mehrere Türen gingen von dem Gang ab, aber alle waren verschlossen. Vermutlich waren es genauso langweilige kleine Zimmer, in denen die Männer schliefen, wenn kein Zug nach Hause fuhr.
Im Erdgeschoss gab es einen Aufenthalts- und einen Speiseraum. Ich sah mich um, ob ich dort vielleicht ein Telefon entdeckte, aber da war keines. Stattdessen sah ich eine Handvoll Männer, die beim Frühstück saßen und mich mit großen Augen anglotzen. Ein paar pfiffen durch die Zähne, einer winkte
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