Die Legende
ich. Eine der Wachen wollte protestieren, doch ich ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Ich bin extra eingestellt worden, damit die Blutsauger länger am Leben bleiben und härter verhört werden können. Fragt Unteroffizier Parrier.«
Sie fragten ihn nicht, sondern glaubten mir auch so. Scheinbar ungerührt folgte ich ihnen, während sie Robert, der meine Stimme offenbar nicht erkannt hatte, in einen Container etwas weiter hinten im Lager schleiften. Dort ließen sie ihn einfach liegen und stellten sich wachsam an die Tür, während ich mich zu Robert beugte.
Er rührte sich nicht. »Robert!«, flüsterte ich. »Robert, hörst du mich?« Ich nahm seine Hand. Sie war kälter als Eis.
»Robert!«
Mühsam öffnete er die Augen. Es dauerte einen Moment, bis er mich erkannte. Dann schoss Entsetzen in seinen Blick.
»Moona«, murmelte er apathisch. »Weg, weg.«
Ich wusste nicht, was er damit meinte. Wollte er, dass ich wegging? Oder dass er wegwollte?
»Wir holen dich hier raus«, wisperte ich, während ich mich über ihn beugte und ihm die letzten Blutstropfen aus dem Schwamm auf die Lippen tröpfelte. Er leckte sie verzweifelt ab.
»Nein«, erwiderte er gequält. »Lass mich.«
»Leif wartet draußen darauf, dass ich dich bringe. Wir haben alles geplant.« Dass ich nicht wusste, wie ich mit meinen Helfern in Kontakt treten konnte, verriet ich ihm lieber nicht.
»Lass mich, Moona. Es ist viel zu gefährlich.«
»Wir schaffen das.«
»Nein!« Er wurde lauter und wehrte sich gegen meine Hand, die ihn streicheln wollte. Davon wurde einer der Uniformierten aufmerksam.
»Alles in Ordnung?«, fragte er und trat einen Schritt auf mich zu, den Elektroschocker griffbereit.
»Ja, alles bestens«, sagte ich schnell. »Er braucht jetzt Ruhe, dann könnt ihr ihn morgen wieder vernehmen.«
»Morgen gibt es kein Verhör mehr mit ihm«, lautete seine Antwort. »Er weiß nichts. Morgen wird er endlich den Weg in die ewigen Jagdgründe antreten, dieses Mal wirklich.«
Mein Herz raste. Morgen würden sie ihn umbringen. Das bedeutete, wir hatten nur noch wenig Zeit.
»Robert, wenn du willst, dass es mir gutgeht, kommst du mit«, flüsterte ich, als der Typ wieder Wache an der Tür stand. »Ich werde dieses Lager nicht ohne dich verlassen. Wenn sie rauskriegen, dass ich hier bin, um dich zu befreien, werden sie mich auch foltern. Willst du das?«
Er schüttelte den Kopf.
»Dann kommst du mit.«
Wieder Kopfschütteln.
»Dann bleibe ich hier sitzen und warte, dass sie alles über mich herausfinden.«
Ich setzte mich auf den kalten Boden. »Ach ja, die Typen von der Sekte sind erledigt. Die werden dich nicht mehr belästigen, falls du vor ihnen Angst hast.«
Erstaunen schlich sich in seine Augen.
»Ich war es aber nicht«, fügte ich noch schnell hinzu. »Es kam dir jemand anderes zu Hilfe.« Dass es ein windiger und gefährlicher Wiedergänger war, verschwieg ich auch lieber. Solche Details musste man einem Gefolterten nicht unbedingt zumuten.
»Also, kommst du mit?«
Er sah mich mit großen Augen an. »Du bist stur und unverbesserlich, Moona«, flüsterte er schließlich.
»Ich weiß.«
Dann nickte er.
»Gut«, sagte ich aufatmend. »Dann warte auf mich.« Er nickte, danach erhob ich mich und ging aus dem Container.
Jetzt musste ich unbedingt Leif Bescheid geben.
Draußen im Hof schlenderte ich zu Parriers Büro am Eingang des Lagers. Es war inzwischen Mittag, doch er hatte noch Schicht. Lässig saß er in seinem Sessel und beobachtete ein paar düstere Monitore, auf denen der Eingang des Lagers mit den zwei Toren und der Inhalt der Container zu sehen waren. Auch in den Verhörräumen waren Kameras angebracht, die ich über der Tür schon entdeckt hatte, und die die Vorgänge während der Vernehmungen auf die Bildschirme übertrugen.
»Wow, was für eine Arbeit«, seufzte ich und lächelte den Blonden an. »Es ist toll, wenn man ein Rädchen im Getriebe sein darf.«
»Ich hab dich beobachtet«, grinste er. »Du bist vielleicht noch ein bisschen zu sanft zu den Elementen, aber das wird sich bald legen.«
»Sicher«, erwiderte ich. »Wie ist das eigentlich? Ich würde gern meine Mutter anrufen und ihr von meinem Erfolg berichten, aber mein Handy hat keinen Empfang. Kann man irgendwo telefonieren?«
»Hier.« Er deutete auf ein altmodisches Telefon auf dem Tisch. »Aber fass dich kurz, wir müssen die Leitung freihalten.«
»Alles klar. Danke.«
Er machte keinerlei Anstalten zu gehen, so dass ich mir
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