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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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etwas einfallen lassen musste, damit er keinen Verdacht schöpfte.
    Ich wählte Leifs Nummer und hoffte, dass wenigstens er Verbindung zum Netz hatte. Das Rufzeichen ertönte. Erleichtert atmete ich auf. Jetzt musste er nur noch rangehen.
    »Ja?«, fragte er schließlich mürrisch in den Hörer.
    »Hallo Mama«, flötete ich fröhlich zurück. »Stell dir vor, meine Bewerbung war erfolgreich. Sie haben mich genommen.« Ich strahlte Unteroffizier Parrier glücklich an. »Ich hatte auch schon meinen ersten Einsatz, sie brauchen mich für viele wichtige Dinge.«
    Ich konnte förmlich hören, wie sich Leif anspannte und angestrengt auf versteckte Botschaften wartete.
    »Hast du ihn gesehen?«, fragte er leise. Er hatte offenbar sofort begriffen, dass ich nicht frei sprechen konnte und wollte mich nicht durch seine tiefe Stimme verraten.
    »Oh ja, ganz sicher. Ich denke, ich bleibe noch ein Weilchen hier, ich glaube, heute Nacht wird richtig spannend. Wie geht es dir?«
    »Wir warten auf dein Zeichen«, flüsterte Leif.
    »Sehr schön. Mach dir keine Sorgen um mich. Es sind alles nette Männer hier, besonders Unteroffizier Parrier, der alles im Blick hat, ist toll. Er sitzt hier bei mir direkt am Eingang und hat mir selbst alles gezeigt.«
Er lächelte geschmeichelt.
    »Wie viele Männer sind es insgesamt?«
    »Zwanzig Minuten, länger brauche ich nicht für den Weg bis zum Bahnhof, Mama, und allein muss ich sicher auch nicht gehen.«
    »Sind sie bewaffnet?«
    »Du brauchst dir wirklich keine Sorgen machen. Ich bin hier in sicheren Händen, es wird mit Elektroschockern und Pflöcken darauf geachtet, dass mir nichts passiert.«
    »Weißt du schon, wie du vorgehst?«
    »Mama, ich muss jetzt auflegen. Es ist alles gut. Wir sehen uns spätestens morgen wie immer. Bis dann!«
    »Alles klar. Wir warten wie vereinbart.«
    Ich legte auf.
    Ich war mächtig ins Schwitzen geraten. Es war gar nicht so einfach, verschlüsselte Botschaften zu übermitteln, ohne sich zu verraten. Aber ich hatte es wohl gut gemeistert. Zumindest hatte Parrier nichts mitbekommen, denn er musterte mich amüsiert. Doch schien er mir auch nicht gerade der hellste Stern am Himmel zu sein.
    »Vielen Dank«, sagte ich und erhob mich.
    »Gern geschehen«, grinste er und ließ mich gehen.
     
    Meine nächste Aufgabe war wesentlich schwieriger. Ich musste Roman finden und befreien. Ich hatte jedoch nur eine vage Ahnung, wo er sich aufhalten könnte. Während des Rundgangs hatte Parrier erwähnt, dass die Neuankömmlinge in dem Flachbau mit den Verhörräumen untergebracht seien. Ich vermutete, dass er sich dort befinden musste. Doch ich konnte mich nicht so einfach auf die Suche nach ihm machen, ohne dass es auffiel. Also spielte ich erst einmal weiter die Krankenschwester und gewöhnte mich sogar etwas an meine Rolle, bei der ich glücklicherweise eine Menge vom Lager zu sehen bekam. Ich schaffte es, in jeden der Verhörräume zu schauen, indem ich einfach hineinging und fragte, ob sie meine Hilfe benötigten. Nur ein Raum in der Baracke blieb mir verschlossen, so dass ich vermutete, dass er dort war.
    Als der Tag sich langsam neigte, trafen wir uns im Speisesaal zu einem ausgiebigen Abendessen, wobei ich noch einmal alle Männer – und es waren tatsächlich nur Männer, die hier arbeiteten – zählte. Es waren mehr als zwanzig, ich hatte mich um vier oder fünf Wachen verschätzt. Aber das ließ sich nun nicht mehr ändern. Dafür horchte ich unauffällig jeden, mit dem ich sprach, und das waren nicht wenige, über den Lageralltag aus. Frühstück gab es sechs Uhr, 7:30 Uhr begann die erste Schicht. 15 Uhr war Schichtwechsel, dann wurde bis 22 Uhr gearbeitet, bevor die Nachtschicht bis zum Morgen übernahm. In der Nacht sei wenig los, meinte ein älterer Mann mit roten Haaren und tränenden Augen. Einer sei vorn am Tor und sähe auf die Monitore, zwei weitere Männer patrouillierten durch das Lager, einer hätte Bereitschaft, was die Technik betraf. Dafür interessierte ich mich besonders. Auf meinen Einwurf, wie sie es schafften, die Container und Räume dermaßen kühl zu halten, beschrieb er mir in allen Einzelheiten die ausgeklügelte Klimaanlage, die durch eine gesonderte Stromleitung gespeist wurde. Ich erfuhr, dass es darüber hinaus im Keller einen Notstromgenerator mit Hunderten Litern Diesel für den Fall eines Stromausfalls gab. Ich ließ mir noch sagen, in welchem Keller sich der Generator befand, dann tat ich, als wäre ich beruhigt und widmete

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