Die Legende
Lappen umwickelt waren, und hielten sie in die Flammen. Sobald sie brannten, schossen sie die Pfeile über die Brüstung in die Wände der riesigen Belagerungstürme. Sofort züngelten Flammen und dichter, erstickender schwarzer Qualm auf, der von der Morgensonne hochgeweht wurde. Ein flammender Pfeil fuhr durch den offenen Türbogen des Turms, den Gilads ölgefüllter Kessel getroffen hatte, und drang einem Nadir-Krieger ins Bein, dessen Kleider naß von Öl waren. In Windeseile war der Mann eine zuckende, schreiende menschliche Fackel, taumelte gegen seine Kameraden und setzte auch sie in Brand.
Weitere Tonkessel segelten durch die Luft und gaben den Flammen auf den zwanzig Türmen neue Nahrung. Der furchtbare Gestank brennenden Fleisches wurde vom Wind über die Mauern getragen.
Der Rauch brannte Serbitar in den Augen, aber er bewegte sich mühelos zwischen den Nadir. Sein Schwert webte kunstvolle Muster in der Luft. Ohne Anstrengung tötete er, eine Maschine von tödlicher, furchterregender Kraft. Ein Stammeskrieger erhob sich mit gezücktem Messer hinter ihm, doch Serbitar drehte sich blitzschnell um und schnitt dem Mann mit einer fließenden Bewegung die Kehle durch.
»Danke, Bruder«, pulste er an Arbedark auf Mauer Zwei.
Rek fehlte zwar Serbitars Eleganz und tödliche Schnelligkeit, aber er benutzte sein Schwert nicht weniger wirkungsvoll, hielt es mit beiden Händen gepackt und knüppelte sich neben Druss zum Sieg. Ein Wurfmesser drang in seine Brustplatte und ritzte ihm die Haut auf. Er fluchte und ignorierte den Schmerz, so wie er auch die anderen kleineren Wunden ignorierte, die ihm dieser Tag eingetragen hatte: den aufgerissenen Schenkel und die gestauchten Rippen, die von einem Nadirspeer stammten, der von Brustplatte und Kettenhemd abgelenkt worden war.
Fünf Nadir drangen durch die Reihen der Verteidiger und rannten auf die schutzlosen Bahrenträger zu. Bowman streckte den ersten aus vierzig Schritt nieder. Caessa erledigte den zweiten. Dann rannte Bar Britan ihnen mit zwei seiner Männer entgegen. Der Kampf war kurz und heftig, das Blut der Nadir tränkte die Erde.
Langsam, fast unmerklich, fand eine Veränderung im Kampf statt. Immer weniger Stammeskrieger waren auf der Mauer, denn ihre Kameraden waren zu den Brustwehren zurückgedrängt worden, und sie hatten wenig Platz, Stellung einzunehmen. Die Nadir kämpften nicht mehr, um zu erobern, sondern um zu überleben. Das Kriegsglück – immer launisch – hatte sich gewendet, und nun mußten sie sich verteidigen.
Doch die Nadir waren grimmig und tapfer. Weder schrien sie, noch versuchten sie sich zu ergeben, sondern hielten ihre Stellung und starben kämpfend.
Einer nach dem anderen fiel, bis der letzte Krieger von der Brustwehr stürzte und auf den Felsen zerschmettert wurde.
Still zog die Nadir-Armee sich außer Reichweite der Bogenschützen zurück. Die Krieger sanken zu Boden und starrten die Dros mit dumpfem, unversöhnlichem Haß an. Schwarze Rauchfahnen stiegen von den verkohlenden Türmen auf, und der Gestank der Toten drang in ihre Nasen. Rek lehnte sich über die Brüstung und rieb sich mit der blutigen Hand übers Gesicht. Druss kam hinzu und wischte Snaga sauber. Blutspritzer besudelten den eisengrauen Bart des alten Mannes, und er lächelte den neuen Grafen an.
»Du hast also auf meinen Rat gehört, Freund?«
»Ein bißchen«, sagte Rek. »Aber wir haben es doch nicht allzu schlecht gemacht, was?«
»Das war nur ein Vorgeplänkel. Morgen werden sie uns erst richtig auf die Probe stellen.«
Doch Druss irrte sich. Noch dreimal griffen die Nadir an jenem Tag an, ehe die hereinbrechende Dunkelheit sie zurück an ihre Lagerfeuer zwang, niedergeschlagen und fürs erste besiegt. Auf den Wehrgängen sanken erschöpfte Männer auf den blutgetränkten Boden und warfen Helme und Schilde beiseite. Bahrenträger schleppten Verwundete vom Schauplatz. Die Toten wurden vorläufig liegengelassen; ihre Bedürfnisse waren nicht länger wichtig. Drei Gruppen wurden eingeteilt, um die gefallenen Nadir zu untersuchen. Die Toten wurden über die Brüstung geworfen, die Lebenden rasch erlöst und ebenfalls auf die Ebene hinuntergeschleudert. Druss rieb sich die müden Augen. Seine Schulter brannte vor Anstrengung, sein Knie war geschwollen und seine Glieder bleiern. Aber er hatte den Tag besser überstanden, als er gehofft hatte. Er sah sich um. Einige Männer lagen ausgestreckt auf den Steinen und schliefen. Andere saßen einfach nur da, mit dem
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