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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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dachte Rek. Serbitar antwortete Bricklyn. »Statistiken bedeuten nach dem ersten Tag noch gar nichts«, erklärte er. »Da wird die Spreu vom Weizen getrennt.«
    »Was bedeutet das, Prinz von Dros Segril?« fragte der Bürger. Ohne sein übliches Lächeln wirkte die Frage schärfer als sonst.
    »Das sollte keine Respektlosigkeit gegenüber den Toten sein«, erwiderte Serbitar. »Es ist lediglich eine Realität des Krieges, daß die am wenigsten guten Kämpfer zuerst fallen. Verluste sind zu Beginn immer größer. Die Männer haben gut gekämpft, aber vielen Toten mangelte es an Können – deswegen sind sie tot. Die Verluste werden abnehmen, aber trotzdem hoch sein.«
    »Sollten wir uns nicht mit dem befassen, was erträglich ist?« fragte der Bürger, an Rek gewandt. »Denn wenn wir davon ausgehen, daß die Nadir ohnehin die Mauern erobern, worin liegt dann der Sinn, weiter Widerstand zu leisten? Sind Leben denn gar nichts wert?«
    »Schlägst du etwa vor, daß wir uns ergeben?« fragte Virae.
    »Nein, meine Dame«, antwortete Bricklyn gewandt. »Das müssen die Krieger entscheiden, und ich werde jede Entscheidung unterstützen, die sie fällen. Aber ich glaube, wir sollten auch Alternativen bedenken. Vierhundert Mann sind heute gestorben, und man sollte sie für ihr Opfer ehren. Wir müssen darauf achten, daß wir den Stolz nicht über die Wirklichkeit stellen.«
    »Wovon redet er?« wollte Virae von Rek wissen. »Ich verstehe kein Wort.«
    »Was sind das für Alternativen, von denen du sprichst?« fragte Rek. »So wie ich es sehe, gibt es nur zwei. Wir kämpfen und siegen, oder wir kämpfen und verlieren.«
    »Das sind im Moment die wichtigsten Dinge«, sagte Bricklyn. »Aber wir müssen auch an die Zukunft denken. Glauben wir daran, daß wir hier aushalten können? Wenn ja, müssen wir mit allen Mitteln weiterkämpfen. Wenn nicht, müssen wir für einen ehrenvollen Frieden sorgen, wie es andere Völker vor uns getan haben.«
    »Was ist ein ehrenvoller Friede?« fragte Hogun sanft.
    »Ein Friede, in dem Feinde zu Freunden werden und alle Streitigkeiten vergessen sind. Dann werden wir den Herrscher Ulric in unserer Stadt als Verbündeten Drenans willkommen heißen, nachdem er uns das Versprechen gegeben hat, daß den Einwohnern kein Leid geschieht. Letzten Endes werden alle Kriege so beendet – wie die Anwesenheit von Serbitar, einem Prinzen von Vagria, hier bezeugt. Vor dreißig Jahren lagen wir im Krieg mit Vagria. Heute sind wir Freunde. In dreißig Jahren werden wir vielleicht eine Besprechung wie diese hier mit Fürsten der Nadir abhalten. Wir müssen Perspektiven schaffen.«
    »Ich verstehe deinen Standpunkt«, sagte Rek, »und es ist ein guter …«
    »Das denkst du vielleicht! Andere aber nicht!« brauste, Virae auf.
    »Es ist ein guter Punkt«, fuhr Rek unbeirrt fort. »Diese Besprechungen sind kein Ort für säbelrasselnde Reden. Wir müssen, wie du sagst, die Gegebenheiten prüfen. Die erste Gegebenheit ist folgende: Wir sind gut ausgebildet, gut mit Vorräten ausgestattet, und wir halten die mächtigste Festung, die je gebaut wurde. Die zweite Gegebenheit ist, daß Magnus Wundweber Zeit braucht, um eine Armee aufzubauen und auszubilden, die den Nadir widersteht, selbst wenn Delnoch fallen sollte. Es hat keinen Sinn, zum jetzigen Zeitpunkt über Kapitulation zu reden, aber für künftige Besprechungen werden wir das im Auge behalten.
    Gibt es noch eine andere Angelegenheit von städtischem Belang, über die du sprechen willst? Denn es ist schon spät, und wir haben dich bereits zu lange aufgehalten, Bricklyn.«
    »Nein, Graf, ich glaube, wir haben das Thema abgeschlossen«, erwiderte der Bürger.
    »Dann darf ich dir für deine Hilfe – und deinen weisen Rat – danken und dir eine gute Nacht wünschen.«
    Der Bürger stand auf, verbeugte sich vor Rek und Virae und verließ den Raum. Einen Augenblick lauschten sie noch seinen verklingenden Schritten nach. Virae, erzürnt und errötet, setzte gerade an, um etwas zu sagen, als Serbitar das Schweigen brach. »Das war gut gesprochen, Graf. Er wird immer ein Stachel in unserem Fleisch sein.«
    »Er ist ein politisches Wesen«, sagte Rek. »Ihn kümmern weder Moral noch Ehre oder Stolz. Aber er hat seinen Platz und seinen Nutzen. Was ist mit morgen, Serbitar?«
    »Die Nadir werden mit einer mindestens dreistündigen Bombardierung durch die Wurfgeschütze beginnen. Da die Armee derweil nicht vorrücken kann, schlage ich vor, daß wir bis auf fünfzig alle

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