Die Legende
die Kampflinie und zwangen Orrin und die Gruppe Karnak von den Wehrgängen hinunter auf das Schlachtfeld. Während Verstärkung der Nadir ungehindert über die Mauer setzte, erkannte Druss die Gefahr und brüllte eine Warnung. Er schlug zwei Männer nieder, die seinen Weg kreuzten, und rannte los, um die Lücke allein zu füllen. Hogun versuchte verzweifelt, ihm zu folgen, doch ihm wurde der Weg abgeschnitten.
Drei junge Culs von Karnak schlossen zu dem alten Mann auf, der sich hämmernd und schlagend seinen Weg zur Mauer bahnte, aber sie waren schon bald umzingelt. Orrin – ohne Helm, und mit gesplittertem Schild – hielt mit dem Rest seiner Gruppe seine Stellung. Er wehrte den ausholenden, wuchtigen Hieb eines bärtigen Stammeskriegers ab und stieß dem Mann sein Schwert in den Bauch. Dann sah er Druss. Und erkannte, daß er verloren war, wenn nicht ein Wunder geschah.
»Zu mir, Karnak!« brüllte er und warf sich der vorrückenden Horde entgegen. Hinter ihm stürmten Bregan, Gilad und zwanzig weitere vorwärts, gefolgt von Bar Britan und einer Abteilung seiner Bahrenträger. Serbitar erkämpfte sich mit fünfzehn der Dreißig einen Weg über die Mauer.
Der letzte von Druss’ jungen Kameraden fiel mit gespaltenem Schädel, und der alte Krieger war allein, als der Ring der Nadir sich um ihn schloß. Er duckte sich unter einem sausenden Schwert, packte den Mann an der Weste und rammte ihm den Kopf gegen die Nase. Eine Schwertklinge schlitzte ihm den Oberarm auf, eine andere die Lederweste über der Hüfte. Den betäubten Nadir als Schild benutzend, zog Druss sich an die Wehrgänge zurück, doch eine Axtschneide grub sich in den Leib des gefangenen Stammeskriegers und entriß ihn Druss’ Griff. Ohne eine Rückzugsmöglichkeit, stieß Druss sich mit den Füßen von der Brustwehr ab und warf sich in die Menge. Sein Gewicht ließ sie zurückweichen, und einige gingen mit ihm zu Boden. Snaga entglitt ihm. Er packte den über ihm liegenden Krieger am Hals und erwürgte ihn. Dann umklammerte er den Toten und wartete auf den unvermeidlichen tödlichen Hieb. Als der Tote fortgetreten wurde, warf Druss sich gegen das Bein neben sich und zog den Mann von den Füßen.
»He, Druss! Ich bin’s, Hogun!«
Der alte Mann rollte sich herum und sah Snaga in wenigen Metern Entfernung liegen. Er stand auf und packte seine Axt.
»Das war knapp«, sagte der Gan der Legion.
»Ja«, gab Druss zu. »Danke! Gute Arbeit, mein Freund.«
»Das würde ich mir gern an die Brust heften, aber es waren Orrin und die Männer von Karnak. Sie haben sich zu dir durchgekämpft. Wie, weiß ich auch nicht.«
Es hatte zu regnen angefangen, und Druss hieß den Regen willkommen. Er wandte sein Gesicht mit offenem Mund und geschlossenen Augen dem Himmel zu.
»Sie kommen wieder!« rief jemand. Druss und Hogun gingen zur Brustwehr und beobachteten den Angriff der Nadir. Es war schwer, sie durch den Regen zu erkennen.
Zur Linken führte Serbitar die Dreißig von der Mauer. Schweigend marschierten sie zurück zu Musif.
»Wohin, in drei Teufels Namen, gehen sie?« murmelte Hogun.
»Keine Zeit, sich darum zu kümmern«, fauchte Druss. Er fluchte lauthals, da seine Schulter ihn erneut mit Schmerzen plagte.
Die Nadirwoge spülte heran. Dann grollte Donner, und eine gewaltige Explosion ereignete sich mitten unter ihnen. Alles geriet in Verwirrung. Der Angriff geriet ins Stocken.
»Was ist passiert?« fragte Druss.
»Der Blitz hat sie getroffen«, erklärte Hogun, nahm seinen Helm ab und schnallte die Brustplatte los. »Das kann beim nächstenmal hier passieren – und das ist alles verdammtes Metall.«
Ein ferner Trompetenstoß ertönte, und die Nadir marschierten zurück in ihr Lager. Mitten auf der Ebene war ein riesiger Krater entstanden, umgeben von verkohlten Leichen. Rauch stieg aus dem Loch auf.
Druss drehte sich um und sah, wie die Dreißig durch das Ausfalltor von Musif schritten.
»Sie wußten es«, sagte er leise. »Was für Menschen sind das eigentlich?«
»Keine Ahnung«, antwortete Hogun. »Aber sie kämpfen wie Teufel, und im Moment ist das alles, was mich interessiert.«
»Sie wußten es«, wiederholte Druss kopfschüttelnd.
»Und?«
»Was mögen sie noch alles wissen?«
»Könnt ihr das Geschick vorhersagen?« fragte der Mann Antaheim, als sie unter dem notdürftigen Unterstand kauerten, zusammen mit fünf anderen der Gruppe Feuer. Regen prasselte auf die Plane und tropfte auf die Steine herab. Das hastig errichtete Dach war
Weitere Kostenlose Bücher