Die Legende
vornüber; er hatte Seitenstechen vor Lachen.
»Das mit Druss ist eine gute Neuigkeit, nicht wahr?« sagte Bregan, verwundert über Gilads plötzliche gute Laune.
»Was? Oh, ja.« Gilad holte tief Luft und lächelte seinen Freund an. Ja, es war eine gute Neuigkeit, wenn sie einen Mann wie Bregan so aufmuntern konnte, dachte er. Ein wahrer Held. Nein, kein Held, Bregan, du Narr. Nur ein Krieger. Du bist der Held. Du hast deine Familie und deinen Hof verlassen, alles was du liebst, und bist hergekommen, um zu sterben, um sie zu beschützen. Und wer wird dein Lied singen – oder meins? Wenn sich später überhaupt jemand an Dros Delnoch erinnert, dann nur deshalb, weil ein weißhaariger alter Mann hier gestorben ist. Er konnte schon hören, wie die Psalmisten und Sagendichter ihre Verse sangen. Und die Lehrer werden den kleinen Kindern – Nadir- und Drenaikindern – die Geschichte von Druss erzählen: »Und am Ende eines langen, ruhmreichen Lebens kam Druss die Legende schließlich nach Dros Delnoch, wo er gewaltig kämpfte und fiel.«
»Im Kasino sagen sie«, begann Bregan, »daß das Brot nach einem Monat voller Würmer ist.«
»Glaubst du eigentlich alles, was man dir erzählt?« fuhr Gilad plötzlich wütend, auf. »Wenn ich sicher wäre, in einem Monat noch am Leben zu sein, wäre ich glücklich, verwurmtes Brot zu essen.«
»Ich nicht«, erwiderte Bregan. »Es kann dich vergiften, heißt es.«
Gilad schluckte seinen Zorn hinunter.
»Ehrlich gesagt«, murmelte Bregan nachdenklich, »ich weiß gar nicht, warum so viele Leute glauben, daß wir dem Untergang geweiht sind. Guck dir doch mal an, wie hoch diese Mauer ist. Und davon gibt es sechs. Und danach kommt erst die eigentliche Dros. Meinst du nicht auch?«
»Ja.«
»Was ist los, Gil? Du benimmst dich so merkwürdig. In einem Moment lachst du, im nächsten bist du wütend. So warst du doch sonst nicht. Du warst immer so … kühl, glaube ich.«
»Kümmer dich nicht um mich, Breg. Ich habe lediglich Angst.«
»Ich auch. Ich frage mich, ob Sybad wohl einen Brief bekommen hat. Es ist zwar nicht dasselbe, wie sie zu sehen, aber es muntert mich auf, wenn ich höre, daß es ihnen gutgeht. Ich wette, Legan schläft ohne mich nicht besonders gut.«
»Denk nicht daran«, sagte Gilad, der spürte, wie sich die Stimmung seines Freundes änderte und daß er den Tränen nah war. Ein so sanfter Mann … nicht schwach. Das auf keinen Fall. Aber sanft, freundlich und liebevoll. Nicht wie er selbst. Er war nicht nach Dros Delnoch gekommen, um seine Familie und die Drenai zu verteidigen – er war aus Langeweile gekommen. Gelangweilt von seinem Leben als Bauer, gefühlskalt gegenüber seiner Frau und ohne wirkliches Interesse an seinem Land. Beim ersten Sonnenstrahl aus den Federn und die Tiere versorgen, die Felder bestellen bis zum späten Nachmittag, dann Zäune, lederne Angeln und löchrige Eimer reparieren bis lange nach Einbruch der Dunkelheit. Dann auf einer harten Matratze neben einer dicken, nörgelnden Frau liegen, deren Gezeter noch lange weiterging, nachdem der Schlaf ihn schon auf die viel zu kurze Reise zu einem neuen Sonnenaufgang davongetragen hatte.
Er hatte geglaubt, nichts könnte schlimmer sein, aber er hätte sich nicht gründlicher irren können.
Er dachte an Bregans Worte über die Stärke von Dros Delnoch. Vor seinem geistigen Auge erschienen Hunderttausende von Barbarenkriegern, die wie Ameisen die dünne Linie der Verteidiger überrannten. Seltsam, dachte er, wie unterschiedlich die Menschen ein- und dasselbe betrachten. Bregan kann nicht erkennen, wie die Feinde Delnoch einnehmen können.
Und ich kann nicht erkennen, wie sie scheitern sollten. Alles in allem, dachte er lächelnd, wäre ich wohl lieber wie Bregan.
»Ich wette, in Dros Purdol ist es kühler«, sagte Bregan. »Mit dem Wind vom Meer her und so. An diesem Paß scheint selbst die Frühlingssonne schon zu brennen.«
»Er schützt vor dem Ostwind«, erklärte Gilad, »und der graue Marmor strahlt die Hitze zurück. Aber ich glaube, daß es im Winter ganz angenehm ist.«
»Na, das werde ich nicht mehr erleben«, sagte Bregan. »Ich habe mich nur für den Sommer gemeldet und hoffe, daß ich rechtzeitig zum Erntefest zurück bin. Das habe ich Lotis versprochen.«
Gilad lachte; die Spannung wich von ihm. »Druss ist mir egal«, sagte er, »ich bin froh, daß du hier bist, Breg. Ehrlich.«
Bregans braune Augen suchten in Gilads Gesicht nach Spuren von Sarkasmus. Beruhigt
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