Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
der Älteste der Ältesten, erhob sich.
„Zemal, dies ist der Tag deiner Initialisierung. Vor siebzehn Jahren wurdest du geboren. Seither lebst du als Kind in unserer Gemeinschaft, als Kind der Verdammten. Viele Dinge haben wir dich seither gelehrt, du warst ein guter Schüler. Heute stehst du an der Schwelle zum Erwachsenenalter, heute ist der Tag, deine Prüfung zu beginnen. Bist du bereit?“, fragte Telek.
Zemal nickte, brachte aber keinen Ton hervor.
„Dann komm mit uns und empfange deine Aufgabe.“
Nun erhoben sich auch die anderen sechs Ältesten und Telek bedeutete Zemal, in die Halle einzutreten. Innen, an den Wänden, waren die Lichter der Alten entzündet, Zemal hatte sie noch nie leuchten sehen. Sie tauchten die Halle in ein gespenstisches Halbdunkel. Aus dem Nebenraum hörte Zemal das sonore Brummen der Pumpen.
„Waren es beim letzten Mal nicht noch fünf Lichter?“, fragte Piri, als sie mit den anderen Ältesten hinter Zemal in die Halle trat.
„Ja, leider haben wir erneut eine verloren. Bisher konnte keiner passenden Ersatz finden. Aber vielleicht bringen Seek und seine Gruppe etwas von ihrer Expedition mit“, antwortete Telek.
Auf einem Tisch unter einem der Lichter lag ein prall gefüllter Rucksack, an der Wand dahinter lehnte ein Speer. Die Ältesten gingen zu diesem Tisch hinüber und warteten, bis Zemal sich endlich an den Lichtern satt gesehen hatte und den Ältesten folgte. Telek öffnete den Rucksack und packte ihn aus.
„Das ist Ausrüstung, damit du in der Einöde überleben kannst. Du wirst sie für deine Aufgabe brauchen. Etwas Proviant, ein leichtes Reisezelt, eine Falle, Wasser für einige Tage, eine Decke gegen den eisigen Nachtwind und, sehr wertvoll, einen Leuchtstab der Alten, um dir die Ratten vom Leib zu halten. Einfach kräftig hier an dieser Kurbel drehen und er leuchtet für einige Zeit. Siehst du“, erklärte Telek, während er die Funktionsweise gleich vorführte.
Dann stopfte er alles zurück in den Rucksack und überreichte ihn Zemal. Zögernd griff Zemal zu. Der Rucksack war schwerer als er gedacht hätte. Einer der Ältesten drückte Zemal noch den Speer in die andere Hand. Telek verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte. Nach einer Weile stieß ihn Piri an.
„Was?“, fragte er.
„Hast du nicht etwas vergessen?“, antwortete Piri.
„Ach ja, die Aufgabe. Ziehe hinaus, Zemal, in die Einöde zur Stadt Nadamal und bringe der Gemeinschaft ein wertvolles Geschenk“, sagte Telek.
„Aber die Ruinen der Alten sind verboten“, protestierte Zemal.
„Nicht Nadamal. Nicht für dich“, antwortete Telek.
„Und was ist ein wertvolles Geschenk? Was soll ich von dort holen?“, fragte Zemal.
„Das ist deine Entscheidung, das können wir dir nicht sagen“, antwortete Telek.
„Aber woher soll ich wissen, dass ich das richtige gefunden habe?“, versuchte es Zemal noch einmal.
„Das gehört zum Leben eines Erwachsenen, Zemal, niemand sagt dir von nun an, was richtig oder falsch ist. Du musst deine eigenen Entscheidungen treffen. Handle zum Wohle der Gemeinschaft. Aber sei vorsichtig, der Weg zur Stadt ist lang und die Ruinen tückisch. Sie sind nicht umsonst für die Verdammten verboten“, erklärte Piri.
„Die Aufgabe bleibt natürlich unter uns, erfährt jemand anderes davon, kannst du sie nicht mehr erfüllen. Du weißt, was das heißt. Denke an all das, was du die Jahre im Camp gelernt hast. Und jetzt ab mit dir, bevor die Schatten der Nacht deine Abreise unmöglich machen“, sagte Telek.
Zemal blieb noch einen Augenblick unschlüssig stehen. Die Ältesten schwiegen, er würde also keine weiteren Erklärungen erhalten. Schließlich wandte er sich um und verließ die Halle.
„Warum haben wir ihm eigentlich eine derart schwere Aufgabe zugeteilt? Ich erinnere mich nicht mehr“, sagte Telek, „… aber sei es drum, er wird es schaffen, er ist stark“
„Wir werden sehen“, antwortete Piri, „Wir werden sehen“
***
Zemal blickte noch einmal zurück. Zwei Stunden stapfte er jetzt schon durch die Einöde. Das Camp konnte er mittlerweile lediglich als winzige Lichter am Horizont auszumachen. Vielleicht bildete er sich dies aber auch nur ein. Er fühlte sich allein, vor allem nachdem ihm so viele Menschen Lebewohl gewünscht hatten. Es war ein unvergleichliches Bad in der Menge gewesen, voll mit Stimmen, fröhlichem Gelächter, aber auch besorgten Mahnungen und traurigen Abschieden. Hier draußen war es außer dem ewigen Wind und dem
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