Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
Esrin.
Bartar trottete hinter Esrin her. Sie gingen nicht einmal den kürzesten Weg zum Versteck. Vielleicht gingen sie auch gar nicht zum Versteck. Seine Beine schmerzten fürchterlich, das Atmen wurde mit jedem Schritt schwerer.
„Ich frage mich, wie eine so dünne Frau so schwer sein kann. Können wir nicht eine kurze Pause machen“, keuchte Bartar.
„Solange du noch Luft zum reden hast, kann es nicht so schlimm sein. Los weiter. Oder hast du Sehnsucht nach der Grube?“, antwortete Esrin.
Grummelnd schlurfte Bartar weiter. Er begann, die Schritte zu zählen, irgendwie schien das zu helfen. Wenig später hörte er aber damit wieder auf. Zum einen kannte er die Zahlen nicht mehr und hätte von vorn beginnen müssen, zum anderen fehlte ihm selbst zum zählen mittlerweile die Luft. Aus einer Seitengasse kam ihnen jemand entgegen. Esrin stoppte. Als die Person näher kam, erkannte Bartar Kex. Hätte Bartar die Hände frei gehabt, er wäre Kex vor Freude um den Hals gefallen.
„Gib ihm die Prinzessin“, befahl Esrin.
Bartar tat nur allzu gern, wie ihm geheißen. Kaum hatte er Kex die Prinzessin auf die Schulter gepackt, spürte Bartar einen heftigen Schmerz in seinem Rücken. Er schaffte es noch sich umzudrehen. Vor ihm stand Esrin mit dem Messer in der Hand. Esrin stieß ihm das Messer noch einmal in die Brust. Bartar sackte zusammen.
„Zu viele Zeugen“, murmelte Esrin.
***
Großwesir Houst betrat den Ballsaal. Letztlich hatte er sich doch noch dazu entschieden herzukommen. Denn in einem Punkt hatte Isi recht, er vernachlässigte das Hofleben in letzter Zeit. Dies ersparte ihm zwar einerseits das schleimige Getue vieler Beseelter, andererseits schnitt es ihn aber auch zusehends von Neuigkeiten und Gerüchten ab. Bereits jetzt war er über die derzeit laufenden Intrigen nicht mehr vollständig im Bilde. In seiner Position konnte dies fatale Folgen haben. Er ging zur großen Tafel hinüber, die bereits aussah wie ein Schlachtfeld. Von den Speisen war kaum noch etwas übrig, Reste und schmutziges Geschirr waren über den ganzen Tisch verteilt. Daran erkannte Houst, dass er spät dran war. Durchaus ein Vorteil, konnte er so doch – selbst nüchtern – die ein oder andere weinselige Geschichte abgreifen. Als sein Bruder ihn kommen sah, stand er auf und ging ihm ein Stück entgegen.
„Na endlich. Ich habe mich schon gefragt, ob du überhaupt noch auftauchst“, begrüßte der König Houst.
„Wenn du schon Isi persönlich schickst, mich einzuladen… Obwohl, du weißt, dass sie und ich nicht die besten Freunde sind. Für einen Moment habe ich schon überlegt, ob du überhaupt wolltest, dass ich zu deiner kleinen Party komme“, entgegnete Houst.
„Ah, meine geliebte Gattin. Mein Verhältnis zu ihr ist bestimmt kaum besser als das deine. Geschickt habe ich sie nicht, die Idee hatte sie selbst. Vielmehr ließ sie sich es nicht mehr ausreden, und bei den Alten, ich habe es versucht. Aber ganz im Ernst, wir haben uns zu lange nicht mehr gesehen, Bruderherz. Mir fehlt dein Rat, na ja, und auch deine gewissen Dienste. Seit sich Isi lieber durch die Betten der jungen Beseelten vögelt…“, sagte der König.
„Geht es um mich? Ich habe gerade meinen Namen gehört.“
Königin Isi trat zu den beiden Männern. Sie winkte einen der Bediensteten mit einem Tablett voller Weingläser heran.
„Schön, dass Ihr doch noch gekommen seid, Großwesir. Ich wusste, dem Betteln Eurer Nichte würdet Ihr nachgeben. Wo ist sie überhaupt?“, fragte Isi.
„Nomo? Ist sie denn nicht hier? Sie verpasst doch sonst keinen Ball“, antwortete Houst.
„Sie war hier. Wir haben sie nach Euch geschickt. Ihr könnt sie kaum verpasst haben“, sagte Isi.
„Bei mir ist sie seit heute Nachmittag nicht gewesen. Ich bin ihr auch auf der Straße hierher nicht begegnet. Natürlich könnte sie auch die Abkürzung durch die Vorgärten genommen haben, das würde ihr zumindest ähnlich sehen. Dann wird sie sicher bald zurück sein. Mein Hausdiener weiß, dass ich auf dem Ball bin“, sagte Houst.
„Ich mache mir trotzdem Sorgen. Sie ist vor mehr als einer Stunde aufgebrochen. Wahrscheinlich ist es ja übertrieben und sie sitzt mit einem ihrer unzähligen Verehrer irgendwo in einer Gartenlaube und zählt die Sterne, alt genug dafür ist sie ja. Aber ich würde dennoch nach ihr sehen lassen“, entgegnete Isi.
„Hallo, Ihr da, Wachmann!“, rief der König einer Wache zu, die in der Nähe des Ausgangs Posten bezogen hatte.
Die
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