Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
interessiert, das gäbe Gerüchte, die ich in meiner Stellung nicht riskieren kann. Du jedoch bist jung und bei den Frauen beliebt. Ein Kleid als Geschenk für eine Freundin wäre nichts Außergewöhnliches. Die junge Frau hat in etwa die Statur meiner Nichte, rot ist ihre Lieblingsfarbe. Würdest du das Kleid besorgen? Diskret, wie ich bereits sagte“, führte Houst aus.
„Nomo? Aber die wurde doch entführt. Habt Ihr sie denn gefunden?“, fragte Sleem aufgeregt.
„Ich sagte, sie hat die Statur meiner Nichte“, berichtigte Houst.
„Ach ja, das sagtet Ihr, Meister Houst. Ich dachte nur einen Moment…“
Sleem machte eine Pause und schüttelte dann kurz mit dem Kopf, bevor er weitersprach.
„Es wird mir natürlich eine Ehre sein, Euch diesen kleinen Dienst zu erweisen. Nomos Kleidergröße kann ich perfekt abschätzen, ich habe – wie jeder Mann am Hofe – nicht nur ein Auge auf sie geworfen… Entschuldigung, Meister Houst, ich wollte nicht respektlos sein. Ihr habt ja schon so viel für mich getan. Endlich kann ich dies ein Stück weit zurückgeben. Es ist gut, dass Ihr Euch damit an mich gewandt habt. Schließlich bin ich ein Experte in Sachen Mode. Mein Rat ist bei der Damenwelt außerordentlich geschätzt. Ich werde mich gleich auf den Weg zum Schneider machen. Ich kenne den besten im ganzen Palast. Rot, sagtet Ihr… Das ist die Farbe dieses Sommers“, antwortete Sleem und schickte sich an, zu gehen.
„Warte! Meine Freundin residiert in der Stadt. Im Palast gibt es zu viele Augen. Hier ist die Adresse, es ist das Haus meines alten Mentors Chak. Ich werde dort zusammen mit der jungen Dame auf dich warten“, hielt ihn Houst auf.
„Natürlich, das finde ich. Es wird nicht lange dauern, Ihr könnt Euch ruhig bereits auf den Weg machen“, versicherte Sleem.
„Und nochmals, kein Wort zu irgendwem“, mahnte Houst.
Sleem legte seinen Zeigefinger an den Mund, grinste dann breit, zwinkerte Houst zu und verließ das Studierzimmer.
***
Mit einigen stolpernden Schritten holte Kex Nomo ein.
„Willst du mich aufhalten?“, fragte sie.
Ihr Gang war inzwischen erstaunlich sicher. Auch Kex Beine gehorchten ihm zunehmend besser.
„Nein“, antwortete Kex.
„Gut. Was willst du machen, wenn wir in der Stadt sind?“, fragte Nomo.
Kex zuckte mit den Schultern. Für eine Weile liefen sie stumm nebeneinander her. Kex wusste nicht, was er ihr hätte sagen sollen. Er wusste nicht einmal, ob er in die Stadt gehen würde. Schließlich musste er vor Esrin fliehen, in der Stadt war das unmöglich. Plötzlich blieb Nomo stehen.
„Mist, der hat mir gerade noch gefehlt“, fluchte sie.
„Was ist?“, fragte Kex.
Weit entfernt, da wo der Weg hinter einer Biegung verschwand, tauchten eben klitzekleine Gestalten auf. Auf die Entfernung konnte Kex nicht einmal erkennen, ob es Menschen oder eine Herde Vieh war.
„Da vorn kommt Kirai. Ich möchte nicht, dass der mich so sieht. Wir müssen uns verstecken“, sagte Nomo.
„Wie kannst du das von hier aus sehen, ich erkenne nichts. Wir können uns nicht verstecken, das kostet zu viel Zeit. Esrin würde uns finden. Wer ist dieser Kirai?“, entgegnete Kex.
„Kirai ist ein arroganter Grobian. Irgendwie hat meine Mutter ihn aber als den perfekten Schwiegersohn auserkoren. Nur die Alten wissen, warum. Seither ist er immer in meiner Nähe, er hat mich damals auch auf den Markt begleitet. Meine Mutter würde mich am liebsten heute als morgen mit ihm verheiraten. Darauf spekuliert Kirai sicher, schließlich bin ich die Tochter des Königs. Wenn er mich in den Palast zurückbringt, hat er beste Chancen dazu. Aber ich kann ihn nicht ausstehen. Wenn wir weitergehen, laufen wir ihm direkt in die Arme! Und wenn wir umkehren, laufen wir deinem Esrin in die Arme. Beide Optionen sind für jeden von uns nicht erstrebenswert. Verstecken ist unsere einige Möglichkeit“, beharrte Nomo.
„Vielleicht nicht. Da drüben, hinter den Büschen gibt es einen anderen Weg in die Stadt. Den können wir versuchen. Ich hoffe, er ist offen. Ansonsten… Es ist Esrins Geheimgang. Du bist eine Prinzessin?“, fragte Kex ungläubig.
„Ja. Ändert das etwas? Willst du deswegen jetzt um meine Hand anhalten? Gehen wir besser zu diesem Geheimgang, bevor uns jemand entdeckt“, antwortete Nomo.
Anstatt einer Antwort, schüttelte Kex kurz den Kopf und murmelte etwas Unverständliches. Sie verließen den Weg und verschwanden nach einer Weile hinter den dichten Büschen. Nomo blieb dabei
Weitere Kostenlose Bücher