Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
neben ihm auftauchten, verkniff er sich jedes Wort und schlich einfach davon.
„Also junger Mann, welchen Wein darf ich dir abfüllen?“, fragte der Händler.
„Ich nehme einen Krug von dem Besseren“, antwortete Kos.
Der Händler kramte ein wenig hinter seinem Stand herum, etwas plätscherte in ein Tongefäß, dann reichte er Kos einen Krug. Erst jetzt bemerkte er die Wachen und den Beseelten, der mit verschränkten Armen hinter Kos stand. Nervös lächelte der Händler kurz.
„Und damit dein Vater auch zukünftig bei mir einkauft, mache ich dir einen Sonderpreis. Ich gebe dir den Krug für einen einzigen Silberling“, sagte er dann zu Kos.
Kos reichte dem Händler den Silberling, nahm den Krug in beide Hände, drehte sich um und lief genau in die Beine des Beseelten. Die Hände des Beseelten gruben sich schmerzhaft in Kos Schultern, so dass der den Krug fallen ließ. Der Krug zersprang und der Wein versickerte im Boden.
„Na wen haben wir denn hier? Wenn das nicht unser kleiner Dieb ist. Diesmal entkommst du mir nicht noch einmal. Sicher werden wir dir ein paar Informationen entlocken. Im Palast ist schließlich eine Prinzessin abhanden gekommen. Du durftest sie schon kennen lernen ... Fesselt ihn!“, befahl Kirai den Wachen.
***
„Verdammt Weib, woher soll ich wissen, wo der Junge ist!“, polterte Esrin.
Schon bereute es Esrin, den Jungen mit auf seinen Landsitz genommen zu haben. Aber schließlich wusste Esrin nicht, wie lange er die Prinzessin noch versorgen musste. Er selbst verspürte keine Lust, den großen Fahrstuhl zu benutzen, er würde Kos also noch brauchen. Doch in der Nacht war der einfach weggelaufen. Das machte Esrin wütend. Seine ewig geifernde Frau verbesserte Esrins Laune nicht gerade. Er würde den Jungen suchen müssen, schon weil der zu viel wusste.
„Du hast ihm sicher Angst gemacht! Darum ist er davongelaufen“, sagte Esrins Frau.
„Geh mir nicht auf die Nerven, Weib. Du solltest vor mir Angst haben. Wenn du weiterhin so herum geiferst, drehe ich dir noch den Hals um“, entgegnete Esrin.
Esrins Frau hörte auf in ihrem Kochtopf zu rühren und stemmte beide Fäuste in ihre dicken Hüften. Hinter ihr schlichen Esrins Töchter in die Küche, schauten kurz zu ihrem Vater hinüber und verkrochen sich dann ängstlich in einer Ecke hinter dem Tisch.
„Ich bin die einzige Frau, die deine ewig miese Laune aushält! Sei froh, dass ich nicht auch davonlaufe. Selbst deine eigenen Kinder fürchten sich schon vor dir. Das Essen ist in einer Stunde fertig, du gehst bis dahin besser den Jungen suchen“, sagte Esrins Frau.
Bei den Alten, er war mit diesem Weib gestraft. Sie war hässlich, sie gehorchte ihm nicht und – was vielleicht das Schlimmste war – sie gebar ihm lauter Töchter. Esrin suchte sich dafür Ersatz. Vor einigen Jahren Kex, jetzt nachdem Kex erwachsen war, holte er sich Kos ins Haus. Mit seinen Töchtern konnte er nichts anfangen, sie schienen ihm zu zerbrechlich, schwach, er ging ihnen aus dem Weg. Seine Frau hatte Recht, seine Töchter fürchteten sich vor ihm. Er schlug sie nicht – er schlug ja nicht mal seine Frau – aber dennoch hatten sie Angst vor ihm. Mit Jungen kam er besser zurecht, die konnte er etwas lehren, sie formen, zu Männern machen. Jungen vertrugen eine harte Hand wie die seine. Kex war so zu einem ganz passablen Mann geworden. Nicht von ungefähr hatte Esrin ihm die Prinzessin anvertraut. Kex könnte einiges erreichen, mehr als Esrin selbst. Kex war jung, er war kein Krüppel. Doch er hatte derart viele Flausen im Kopf... Vielleicht änderten die Tage in der Einöde dies ein wenig. Auch Kos würde Esrins harte Hand zu spüren bekommen, wenn er ihn denn findet.
Kos kannte nur die Stadt, deshalb suchte Esrin dort zuerst, auch wenn es gefährlich war. Zu viele Beseelte schnüffelten herum, Esrin konnte ihnen nur mit Mühe aus dem Weg gehen. Er schlich in den Schatten der Häuser um den Markt herum. Hier und da wagte er sich zu einem Händler vor und fragte nach dem Jungen. Doch wem fiel schon ein Straßenjunge auf, von denen es hunderte gab. Lediglich ein Bettler behauptete – nachdem Esrin dessen Zunge mit ein paar Kupferlingen gelöst hatte –, Kos bei einem Weinhändler gesehen zu haben. Aber was sollte der Junge von einem Weinhändler wollen? Trotzdem ging Esrin dieser Spur nach, er hatte schließlich keine bessere. Er brauchte nicht einmal nachfragen. Eine Traube Menschen hatte sich am Stand des Weinhändlers gesammelt und der
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