Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
der Schuldige ist. Das Recht in unserem Land ist stark, das soll auch weiterhin so bleiben. Ihr werdet Eurem König sicher nicht verwehren, dafür einzustehen“, entgegnete der König.
„Nun gut, wie Ihr wollt. Ich nehme an, Ihr wisst bereits, dass Ihr gegen einen Blutrichter antretet“, sagte Kolat.
„Das wurde mir berichtet“, entgegnete der König und nickte dabei Kirai kurz zu.
„Beschmutzter, nehmt Ihr den König als Euren Leumund an?“, fragte Kolat.
„Habe ich denn eine Wahl?“, antwortete Houst.
Der König klopfte seinem Bruder auf die Schulter und lachte.
„Wurmt es dich so sehr, meiner Hilfe zu bedürfen?“, sagte er dann.
„Damit ist der König zum Leumund bestimmt“, sagte Kolat.
„Aber Vater, ich wollte doch…“, begann Sleem.
„Willst du dich gegen die Entscheidung des obersten Tribuns und deines Königs stellen? Setze dich wieder auf deinen Platz, Sleem! Wir werden das später diskutieren“, herrschte Kolat seinen Sohn an.
Sleem zuckte zusammen, senkte den Kopf und schlich zurück in die hinteren Reihen.
„Als Leumund beantrage ich eine Unterbrechung des Tribunals. Ich muss mich erst noch mit den genauen Anschuldigungen auseinandersetzen und die Strategie mit meinem Bruder besprechen“, sagte der König.
„Die Verbrechen des Beschmutzten sind doch gerade Euch bis ins kleinste Detail bekannt. Das ist nur eine Verzögerungstaktik“, beschwerte sich Kirai, „Der Antrag ist abzulehnen!“, forderte er dann an Kolat gerichtet.
„Die Tribunen entscheiden, wann ein Antrag abgelehnt wird, Blutrichter!“, maßregelte Kolat Kirai, „Dieser Antrag ist berechtigt. Jedem Leumund steht es zu, sich vor Beginn des Tribunals mit dem Beschmutzten zu besprechen. Diese erste Sitzung wird damit beendet. Ich lege die nächste Sitzung auf Übermorgen fest“
***
Kex schob ein paar kümmerliche Reste Stroh in die hinterste Ecke der Zelle. Es reichte zwar nicht zum Liegen, doch immerhin, wenn er so in der Ecke hockte, war es eine erklecklich weiche Unterlage und bot ausreichend Schutz vor der Kälte des Betonbodens. Er hatte schon an unbequemeren Plätzen übernachtet. Das Türschloss krächzte und für einen kurzen Moment drang etwas Licht vom Gang her in die Zelle. Eben schob ihm einer der Wärter einen Napf mit einem undefinierbaren Brei und ein kleines Stück trockenes Fladenbrot hinein. Seine Essensration für den Tag. Es schmeckte zwar nicht, stillte jedoch den Hunger. Die Tür krachte wieder zu und die Dunkelheit kehrte zurück.
Heute Morgen, wohl noch vor Sonnenaufgang – wobei Kex dies hier unten im Kerker nur schwer beurteilen konnte – hatte ihn dieser Kirai verhört, ihm seltsame Fragen gestellt. „Woher er den Großwesir kenne“, „Ob dieser ihm die Prinzessin persönlich übergeben hätte“, „Auf welchem Wege er in und – mit der Prinzessin – wieder aus dem Palast gelangt sei“, „Was Houst mit seiner Nichte plante“. Natürlich kannte Kex all die Antworten nicht, er kannte ja nicht einmal den Großwesir. Das hatte er Kirai auch gesagt, dieser glaubte ihm jedoch nicht.
„Und wenn ich jeden einzelnen Buchstaben persönlich aus dir heraus prügeln muss, ich werde die Wahrheit erfahren“, hatte Kirai ihn am Schluss angeschrien.
Kex tastete vorsichtig sein geschwollenes Auge ab. Er konnte es kaum noch öffnen. Sicher lief es bereits blau an. Ein hässlicher Anblick, offen sichtbares Zeichen für einen verlorenen Kampf. Er hatte es schon in seiner Kindheit gehasst, auch wenn es meistens von seinem Vater stammte. Zumindest sah ihn hier keiner.
Aufgeregte Stimmen, die durch den Kerker hallten, holten Kex aus seinen Gedanken. Die Wärter stritten sich mit jemandem. Er erkannte die Stimme von Nomo. Angestrengt lauschte er. Die Worte wurden durch ihr eigenes Echo überlagert und waren nur schwer zu verstehen.
„Ihr werdet mich jetzt … tzt … Gefangenen lassen … ssen“, forderte Nomo.
„Wie oft soll ich es noch sagen … agen … Beseelte Kirai hat jeglichen Besuch verboten … oten … ten“, antwortete der Wächter hörbar genervt.
„Ihr wagt es … agt es … widersprechen … sprechen? Dafür könnte ich Euch in die Grube werfen lassen … assen! … egal, was Kirai befielt … ielt. Tretet endlich zur Seite … eite!“, befahl Nomo aufgebracht.
„Der Beseelte Kirai ist vom Tribunal … nal … der Untersuchung… uchung …“, der Wächter stockte kurz, „…mit der Untersuchung Eurer Entführung … führung … betraut worden ... den.
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