Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)

kleinen Hocker auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches.
    „Kann ich Euch etwas zu trinken anbieten? Ich habe noch einen kleinen Rest Wein, eine Reserve für besondere Augenblicke. Ich denke, dies wäre die passende Gelegenheit“, sagte Houst, während Dilo sich langsam auf den Schemel niederließ.
    „Wein? Ein derartiges Getränk kennen wir nicht. Es wäre mir eine Ehre, es zu probieren“, antwortete Dilo, „Aber ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Dilo, ein Mitglied im Rat der Ältesten“
    Houst kramte aus dem wüsten Haufen seiner Habseligkeiten eine Flasche Wein und zwei Becher hervor. Nachdem er den Korken aus der Flasche gezogen hatte, roch er kurz  daran, nickte lächelnd und schenkte den Wein ein. Etwas misstrauisch begutachtete Dilo den Inhalt in ihrem Becher bevor sie daran nippte. Augenblicklich verzog sie das Gesicht, spitzten den Mund und kniff die Augen zusammen.
    „Uh, ein wenig sauer. Woraus ist dieses Getränk gemacht?“, fragte sie.
    „Weintrauben, große violette Beeren. Mit der Herstellung des Weines kennt sich aber Esrin vermutlich besser aus. Er hatte ein Landgut mit Weinbergen. Der Wein schmeckt Euch nicht?“, entgegnete Houst.
    Demonstrativ nahm Dilo einen kräftigen Schluck aus ihrem Becher. Ihr Körper verkrampfte leicht, sie schüttelte sich, lächelte dann aber.
    „Oh nein, es ist nur sehr ungewöhnlich. Wir kennen hier nur Wasser …“, sagte Dilo.
    „Wasser ist ein gutes Stichwort, „fiel ihr Houst ins Wort, „Ihr habt nicht zufällig einen Brunnen, an dem wir unsere Vorräte auffüllen könnten?“
    Dilo schürzte ihre Lippen, überlegte eine Weile und schüttelte dann mit dem Kopf.
    „Wir selbst sind derzeit in einer prekären Lage, die Wasserpumpe ist ausgefallen. Unsere Vorräte werden nur wenige Wochen reichen. Dann müssen auch wir umherziehen, in der Hoffnung, auf eine neue Wasserquelle zu stoßen“, erklärte Dilo.
    „Eure Wasserpumpe lässt sich doch sicherlich reparieren“, meinte Houst, „Oder ist derjenige, der sie gebaut hat, nicht mehr in der Lage dazu. Hat er keinen Lehrling?“
    „Keiner von uns hat diese Pumpen gebaut, es sind Maschinen der Alten. Wie sie genau funktionieren, wissen wir nicht. Der Einzige, der sich noch ein wenig damit auskannte, war der Älteste Telek. Doch der ist verschwunden. Tut mir leid, aber mit Wasser können wir wirklich nicht dienen. Darf ich noch etwas von dem Wein haben? Er beginnt mir zu schmecken“, sagte Dilo.
    Houst hob kurz die Augenbrauen, schmunzelte und goss Wein nach.
    „Eine Maschine der Alten, sagt Ihr?“, fragte er.
    „Eigentlich sind es drei Maschinen. Doch zwei funktionieren bereits seit langer Zeit nicht mehr. Die letzte Maschine war bisher fast immer zuverlässig, aber jetzt …“, antwortete Dilo.
    Dabei leerte sie den zweiten Becher Wein in einem Zug. Ihre Wangen liefen bereits rot an, ihre Augen glänzten im Schein der Fackel. Sie fächelte sich mit der Hand Luft zu.
    „Es ist sehr heiß hier“, sagte sie dann.
    „Das wird der Wein sein“, erklärte Houst, „Normalerweise steigt er nicht derart zu Kopf – nicht bei dieser geringen Menge – aber da Ihr es nicht gewohnt seid … Vielleicht sollten wir einen Spaziergang machen. Ich würde mir Eure Maschinen gern einmal ansehen. In der Stadt besaß ich eine beachtliche Sammlung an Artefakten der Alten, in ihren Schriften befanden sich außerdem einige Baupläne und technische Beschreibungen“
    „Dann könnt Ihr die Pumpen reparieren?“, fragte Dilo erfreut.
    „Das kann ich nicht versprechen. Aber ein wenig kenne ich mich mit den Artefakten der Alten schon aus“, entgegnete Houst.
    Dilo stand auf, schwankte und fiel zurück auf den Hocker. Erst als Houst ihr aufhalf, schaffte sie es, auf ihren eigenen Füßen zu stehen. Mit beiden Händen hielt sie sich an Housts Arm fest.
    „Ups, dieses Zelt dreht sich“, lallte sie.
    Houst führte sie nach draußen. Der Weg zur Siedlung der Verdammten zog sich hin. Immer wieder benötigte Dilo kleine Verschnaufpausen. Bisweilen kicherte sie unvermittelt. Am Rand der Zeltstadt stellte sich ihnen ein Mann in den Weg und richtete seinen Speer auf Houst. Doch als er Dilo erkannte, senkte er den Speer, murmelte eine Entschuldigung und trat dann zur Seite. Leider reichte das Licht seiner Fackel nicht weit, Houst hätte zu gern mehr von der Siedlung der Verdammten gesehen. So streiften sie nur an unzähligen Zelten vorbei, die im Halbdunkel alle gleich aussahen. Letztlich erreichten sie den