Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
gesehen“, sagte Petel.
„Das lässt sich sehr einfach erklären. Ich komme aus den fernen Landen, die Karawane mit der ich reiste, ist erst vor wenigen Tagen hier eingetroffen. Die Abreise aus meiner Heimatstadt war nicht ganz freiwillig, ihr beiden versteht was ich meine. Jetzt suche ich hier mein Glück und neue Freunde“, erklärte der Fremde.
„Solange du dein Gesicht hinter einem Tuch verbirgst, wirst du in uns keine Freunde finden. Zudem passen weder deine Aussprache noch deine Kleider zu deiner Geschichte“, entgegnete Kex misstrauisch.
Der Fremde enthüllte ein junges, geradezu makelloses Gesicht. Sollte er wirklich ein Dieb sein, so hatte es das Leben bisher ausgesprochen gut mit ihm gemeint. Zumindest war er sicher nicht auf den Straßen irgendeiner Stadt groß geworden. Jeder Straßenjunge, den Kex kannte, hatte in der einen oder anderen Keilerei eine Narbe davongetragen. Dieser Mann – Kex schätzte, er war im selben Alter wie Kex selbst, plus minus ein, zwei Jahre – hatte keine. Der Mann lächelte entschuldigend.
„Ihr habt mich ertappt, anscheinend kann ich euch nichts vormachen. Nun gut, die Wahrheit. Ich stamme von einem der umliegenden Bauernhöfe und bin schlicht davongelaufen. Als jüngstem Sohn bliebe mir nur harte Arbeit zum Wohl der Familie meines ältesten Bruders, für den Rest meines Lebens. Ich wäre kaum mehr, als einer der zerlumpten Feldarbeiter. Nicht einmal eine Frau bekäme ich ab. Das mit dem Glück und den Freunden gilt nach wie vor“, sagte Jarol.
Er ersetzte also die eine Lügengeschichte mit einer anderen. Anscheinend war er nicht willens, seine Identität preiszugeben.
„Das ist zwar immer noch gelogen – deine zarten Hände haben den Stiel einer Hacke noch nie umfasst und, wenn ich mir deine schmale Gestalt so ansehe, fürchte ich, es ist besser so –, aber sei es drum. Du sprachst von einem Angebot. Möchtest du als Dieb für uns arbeiten oder ist da noch etwas anderes?“, wollte Kex wissen.
Nervös, aber immer noch lächelnd versteckte Jarol seine Hände hinter seinem Rücken.
„Ja, das Angebot. Ihr werdet sicher meine Fähigkeiten kennenlernen wollen und ich hätte da auch schon eine Idee. Ich möchte mir das Haus eines der reichen Händler einmal von innen ansehen, ihr könntet mich begleiten. Wäre das nicht Beweis genug?“, schlug Jarol vor.
„Die Häuser der Händler sind gut bewacht. Kaum ein Dieb, der noch bei klarem Verstand ist, geht dieses Risiko ein. Zu oft endet bereits der Versuch in der Grube. Und das ist …“, Kex verzog bei dem Gedanken an die Menschenfresser sein Gesicht zu einer Grimasse, „… das ist wirklich kein erstrebenswerter Ort“
„Geschichten über diese ominöse Grube habe ich auch schon gehört. Sicher hat sie sich jemand ausgedacht, um Leute wie uns zu erschrecken. Aber falls es euch beruhigt, ich kenne einen sicheren Weg hinein und wieder hinaus. Die Wachen werden nicht einmal unsere Schritte hören“, sagte Jarol.
„Ach und wie sieht dieser sichere Weg aus?“, wollte Petel wissen.
„Am besten ihr begleitet mich und ich zeige ihn euch. Dann könnt ihr immer noch entscheiden, ob ihr mir glauben wollt“, antwortete Jarol.
„Nun, dann geh voran“, forderte Kex ihn auf.
„Ich traue ihm nicht, der lügt schon, bevor er das Maul aufmacht“, raunte Petel Kex zu.
„Du hast recht. Aber ich bin neugierig, warum er es tut“, flüsterte Kex.
Sie streiften eine Weile durch die Stadt, kamen dem Händlerviertel dabei kaum näher. Es bestätigte Kex Vermutung, dass es sich lediglich um eine Finte handelte. Jarol lockte sie irgendwo hin. Kex tastete noch einmal nach dem kleinen Messer, das seit einer Weile in seinem Gürtel unter dem Hemd steckte. Jeder Dieb besaß ein Messer und sei es nur – wie bei Kex –, um sich einen gestohlenen Apfel aufzuschneiden. Wozu es sich noch eignet, würde Kex vielleicht bald herausfinden. Denn plötzlich verschwand Jarol in einem Hauseingang aus dem im gleichen Moment zwei kräftige Männer vor ihnen auf die Straße traten. Gelassen bauten sie sich in der Mitte der Gasse auf und schlugen jeweils einen Knüppel in die offene Hand. Ein klassischer Hinterhalt, Kex musste sich nicht einmal umdrehen, die Schrittgeräusche hinter ihm kündeten auch so von einem versperrten Fluchtweg. Er tat es trotzdem, schon um die Anzahl der Gegner zu zählen. Vier gegen zwei, kein allzu schlechtes Verhältnis. Zumindest keines, das sie aller Chancen beraubte.
„Unsere Taschen sind leerer als die
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